Tja, so sieht es aus. Irgendwann kommt es, dieses zuvor unvorstellbare Gefühl, alles Wichtige bereits erlebt oder getan zu haben. Morgen ist der erste Tag vom Rest Deines Lebens - aber was war dann bitteschön der heutige Tag? Mathematisch beschrieben ist der Rest also »einige Tage«, wobei »einige« genauer definiert »alle, bis auf endlich viele« Tage wären. Das immherin könnte tröstlich stimmen: wir erleben also noch alle, bis auf endlich viele Tage der Zeit, die bis zum Wärmetod des Universums vergeht. Zwar kennt niemand die Zahl, doch ist es gewiss, dass es nur abzählbar viele Tage sein können - beides: einige und alle minus einige.
Andere Spielereien mit der Algebra könnte man treiben, wenn man die Anzahl der Herzschläge berechnete, die man während seines Lebens ausführt, kaum jemals daran denkend. Oder noch etwas abstrakter die Anzahl der Liter Blut, die dieses Herz gepumpt hat. Eine reife Leistung, auch wenn ich die Zahl jetzt nicht parat habe. Der Körper, eine hochleistungsfähige Vorrichtung zur vorübergehenden Verringerung der allgemein zunehmenden Unordnung; eine lokale Keimzelle für die Kristallisation von Wahrnehmung und Reaktion.
Doch was hilft das mir, der ich all diese Dinge beachten und berechnen kann? Der Erwerb von Wissen bleibt doch sinnlos, weil man so vergänglich ist, wie man designt wurde. Wenn unser Designer nicht einfach der größte Faschist aller Zeiten wäre, wie ihn Lem einmal bezeichnete, sondern ein gütiger Gott, so wie ihn viele Kirchen feilbieten, woher nahm er die Arroganz, uns zu erschaffen, um uns irgendwann ins Angesicht der eigenen Vergänglichkeit blicken zu lassen, dabei milde lächelnd? Nein, vielen Dank, keine Erklärungen.
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