Heute führte und fügte zusammen das Schicksal schicksalshaft, denn schicksal wirkt IMMER schicksalshaft, au!, zwo Dinge: Ersto: Ich entschud, gegenüber der Gewohnheit der Gewohntheit, die Maßnahmen zur endgültigen Beendigung meines durch Tinnitus und Alkohol zerschmetterten Studiums einmal in der kürzlich unter der Ägide von Sir Norman Förster neu gebauten - und wie ich finde sehr schönen und vor allem in auf viele Weisen praktischen - philologischen Gesamtbibliothek der Frank und Freien Universität Berlin weiterzutreiben, und nicht, wie es sonstig usus und mos ist, bei den fiesen Geschichtlern in der engen Kosereinbahnstraße, wo mir sonst immer noch und täglich jedes einzelne Buch zum Golgatha und Brot mit Tränen wird. Das war erstiges. Zwotiges: Herrn Reich-Ranicki, Titanenkritiker zu Hamburg, bekam heute just im selben Gebäude in dem ich so zu Werke ging die circa 15. Ehrendoktorwürde verlieren. Ich war entzückt, aber nicht geladen. So mußte ich ab den späten Nachmittagsstunden, während ich viele Male auf dem Weg von der großen Bibliothek (welche mich in ihrer Heimeligkeit mehr als einmal an den Komfort des alten Volvos meiner Mutter erinnert hat) zu den Toiletten, der Cafeteria und zurück versuchte, mir über Geschichte und Erzählung einen Reim zu machen, Zeuge davon werden, wie man des heutigen Tages als beruhmter Mann von einer Universität geehrt wird. Zunächst, und das war auch das Wesentliche was ich davon mitbekommen habe - denn ich war, wie gesagt, nicht geladen, und hatte auch keine Lust, mit einigen Mißmutigen im zwoten großen Hörsaal die Videoübertragen zu verfolgen, welche fünf Meter her per Kabel von dem dem ersten großen Hörsaal, wo man am ehren war - übertragen wurde - zunächst also werden auf einem Tisch, auf mehreren Tischen, viele Gläser Sekt für einen aufgestellt. Geschaut hab ich wohl, liegt doch meine Entgiftung nur einige Monate zurück, aber, so fiel mir sofort wieder ein, »Sekt, Michael...«, so dachte ich bei mir, »Sekt hat dir sowieso noch nie geschmeckt. Alles was dir schmeckt, Michael - und das maßlos - das ist Bier...«. So ging ich viele Male hin und her, leichten Mutes, nur ab und an beschwert durch sich verwirrende Gedanken an Leopold von Ranke und das Schicksal der germanischen und romanischen Völker, aber die Laune ließ ich mir durch die Auswürfe eines solchen Wirrkopfes allemal nicht verderben.
Nun geschah es allerdings, daß ich zum Ende des arbeitsamen Tages, gegen halb acht, meinen Heimweg durch den Empfangsbereich antrat. Die Besucher waren mittlerweile in Teilen aus der Ehrung geströmt, und sie tranken, wie ich entsetzt feststellen musste, Reich-Ranickis Sekt! Den Sekt, um den ausgerechnet ICH einen Bogen gemacht hatte, der ganze Sekt für Herrn Reich-Ranicki wurde nun von Menschen getrunken, welche aus der Ehrung kamen, obwohl diese noch nicht zu Ende war, und, das schlug dem Fass den Boden aus, ebenso von einigen Langzeitstudenten, welche mir dem Gesicht nach wohl bekannt waren. Verachtung und Neid bemächtigte sich meiner. »Sie trinken Ranickis Sekt! Ich habe keinen Sekt getrunken, obwohl mein craving als trockener Alkoholiker schier unermeßlich ist! Sie trinken Ranickis Sekt! Ranicki wird nachdem er genug geehrt worden ist, aus der Halle stürzen, nur um dann in vollem Entsetzen schreien zu müssen: 'GEWALT! WO IST MEIN SEKT! KRRREEEIIIIIIIIISCH!'«.
Wenn man heutzutage SO geehrt wird, dann möchte ich überhaupt nicht mehr geehrt werden!
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