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Jemand schrieb am 9.2. 2001 um 17:34:39 Uhr über

Reemtsma

Interview mit Jan Phillip Reemtsma über seine Gefühle im Verfahren, über Trauma und Ohnmacht, Religion und Tod

Die Zeit, vom 25.Jan.2001, Nr.5, S.12 ff

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DZ: Hat sich Ihre Einstellung zum Tod verändert?

JPR: Auf einer Tagung wurde ich von einem Mann angesprochen, der aus einem osteuropäischen Land kam. Er war dort früher als Dissident zum Tode verurteilt und dann in die Psychiatrie versteckt worden. Später war er freigekauft worden. Der hatte mein Buch gelesen und sprach mich darauf an, wie es sich denn so lebt - danach. Wir versuchten gemeinsam eine Formulierung für das Leben danach zu finden. Er erzählte, dass er sich oft völlig fremd fühle, als habe er mit anderen Menschen nichts mehr zu tun. Ich sagte: Das kenne ich auch. Was mag das sein, das uns von ihnen trennt? Ich schlug vor: Die wissen alle nicht, das sie sterben müssen. Er sagte: Ich glaube, das stimmt. Also: Nicht meine Einstellung zum Tod hat sich verändert, sondern die Art des Wissens um den Tod. Jeder weiß, dass er sterben muss, und jeder weiß es irgendwie auch nicht. Besser: Jeder weiß, dass er muß, und keiner glaubt es. Es sei denn, man hat durch Erlebnisse wie eine schwere Krankheit und vor allem solche, wo das eigene Leben abhängig war von der Willkür eines anderen, das Wissen, dass das Leben von einem Augenblick auf den anderen zu Ende sein kann.

DZ: Wie wirkt sich dieses Wissen auf Ihr Leben aus?

JPR: Es nützt nichts, es ist zu nichts gut, man kann damit nichts anfangen. Es ist einfach nur da.

DZ: Haben Sie jetzt Angst vor den Menschen, nachdem Ihnen Menschen etwas angetan haben?

JPR: Nein. Dass es sich um eine zum Teil sehr unfreundliche Spezies handelt, war mir auch vorher nicht unbekannt.

DZ: Jedes Menschenleben beginnt und endet mit der Erfahrung der absoluten Ohnmacht. Ist die von Ihnen während der Entführung erlebte Ohnmacht nicht deshalb für Sie so schwer zu ertragen, weil es Sie auf der Höhe Ihrer biographischen Macht erwischt hat?

JPR: Das ist vielleicht nicht ganz falsch. Ich glaube, dass ein menschliches Wesen nicht so etwas wie ein Urvertrauen hat, wenn es auf die Welt kommt, sondern eher ein Urmisstrauen. Biographien, die nicht völlig katastrophisch verlaufen, erlauben, dass dieses Urmisstrauen unter der Decke bleibt. Es wird durch solche Erlebnisse wie meines gleichsam reaktiviert. Doch die Zustände der absoluten Hilflosigkeit gehören eben an den Anfang und an das Ende des Lebens und nicht in die Mitte. Aber der Unterschied ist: Nicht jede Form von Hilflosigkeit ist Bedrohung durch einen anderen - und das ist ein großer Unterschied.




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