Die geschichtliche Entstehung der Rassenlehre
Die Rassenlehre bildete zwar einen Grundpfeiler der nationalsozialistischen Weltanschauung, war aber keine deutsche Erfindung und wurde auch nicht ausschließlich in Deutschland angewandt.
Der Franzose Joseph Arthur Graf von Gobineau (1816-1882) entwickelt in seinem vierbändigen Werk (deutsche Übersetzung 1898-1901 erschienen) seinen „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrasse“.
Im Mittelpunkt steht die „Arische Rasse“, als körperlich und geistig-seelisch überlegene und somit kulturfähige Rasse.
Der englischen Naturforschers Charles Darwin (1809-1882) entwickelt die Selektionstheorie für den Bereich der Tiere. Er stellte die Theorie auf, dass in der Tierwelt jeweils die stärkste Tierart überlebe und die Schwächere unterliegen müsse.
Diese im Tierreich zutreffende Theorie wurde später in unzulässiger Gleichsetzung auf die Gesellschaft der Menschen übertragen und als
„Sozialdarwinismus“ bezeichnet, aus dem sich um die Jahrhundertwende rassenhygienische Überlegungen ergaben.
Die Rassentheorie, die im Nationalsozialismus als Grundlage für Euthanasie vorhanden war, findet ihre Begründung bereits in der 1859 von Darwin veröffentlichten Arbeit „Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rasse im Kampf ums Dasein“
Im Rahmen dieser Überlegungen bestimmt Darwins Vetter Francis Galton daraus die „Eugenik“ (=Rassenhygiene), die die Entwicklung gesunder Erbanlagen zur genetischen Verbesserung der eigenen Rasse zum Ziel hat.
Um dieses Ziel zu erreichen, gab es zwei unterschiedliche Arten von Eugenik:
• positive Eugenik, d.h. Geburtenförderung von „Erbgesunden“ und „Tüchtigen“.
• negative Eugenik, d.h. Geburtenverringerung bei so genannten „Erbkrankheiten“.
Ernst Haeckel (1834-1919) wendet die Darwinsche Selektionstheorie auf Menschen an und definiert dies als „Sozialdarwinismus“, diese Gedanken veröffentlicht er 1868 in „Natürliche Schöpfungsgeschichte“
In der Weiterentwicklung, der Ideen Gobineaus formulierte Houston Stewart Chamberlain (1855-1927) in seinem Werk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“, dass anstelle der natürlichen Mischung der Rassen die gezielte Züchtung der germanischen Rasse treten sollte. Gleichzeitig sollte diese eine Führungsrolle im „Kampf auf
Leben und Tod“ mit dem rassisch
minderwertigen Juden einnehmen.
Im Jahre 1920 verfassten der Freiburger Psychiater Alfred Erich Hoche (1865-1943) und der pensionierte Jurist Karl Binding (1841–1920) die Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form“, in der sie die Tötung von Kranken und Behinderten forderten, die für minderwertig befunden worden waren (Euthanasie).
Binding verstarb, noch bevor das Buch veröffentlicht werden konnte.
Hoche hingegen wurde später zum Gegner der Euthanasie, da ein Mitglied seiner engeren Verwandtschaft ihr zum Opfer fiel.
In ihrem Werk hatten Hoche und Binding aufgegriffen, dass es in Deutschland besonders zur Zeit der Weimarer Republik zur Forderung nach einer solchen Selektion gekommen war, um den Stärkeren die Existenz zu ermöglichen.
Der Regierung, die diese Selektionen durchführen sollte, wurde damals vorgeworfen, dass eine derartige Selektion durch Vorsorge und soziale Gesetzgebungen verhindert würde.
Zudem wurde beklagt, dass die tüchtigen und starken Menschen ihr Leben im Ersten Weltkrieg geopfert hätten, während es den Schwachen in Heil- und Pflegeanstalten an nichts gefehlt habe.
Aus diesen Gedanken entwickelte sich die Forderung, dass man die Fortpflanzung angeblich „minderwertiger“ Menschen verhindern müsse, um die Gesunden zu schützen.
Die Rassenlehre im 3. Reich
Die vier Hauptthesen Hitlers zum Thema Rassenlehre, die sich unter anderem in seinem Buch „Mein Kampf“ wieder finden, lassen sich allesamt aus dem Gedankengut der Eingangs Vorgestellten Autoren ableiten:
• Die Ursache für den Untergang des alten Reiches liegt im Nichterkennen
der Bedeutung des Rassenproblems für die geschichtliche Entwicklung
der Menschheit.
• Die arische Rasse ist eine höhere, kulturgründende Rasse und steht
anderen, minderwertigen Rassen, besonders der jüdischen und der slawischen, gegenüber.
• Diese schwächen durch ihre minderrassigen Elemente die Stärke und den Bestand des Volkes.
• Somit hat der völkische Staat die Rasse in den Mittelpunkt des allgemeinen Lebens zu setzen und für ihre Reinhaltung zu sorgen.
Er deutete das Leben als unendlichen Kampf, bei dem letztendlich der Stärkere, laut Hitler der „arische Herrenmensch“, siegen müsse und alle schwachen und kränkelnden Menschen unterliegen würden. Um entscheiden zu können, welche Rasse gut oder schlecht war, wurden Kriterien wie Schädelform, Haar- und Augenfarbe in Kategorien eingeteilt, die in zahlreichen Rassekundebüchern zu finden waren. Das Studium solcher Bücher wurde nach der „Macht-ergreifung“ der Nationalsozialosten 1933 zur Grundlage in allen Schulen gemacht, um zu erreichen, daß die „Arische Rasse“ als gut angesehen wird
Außerdem sollte man zu der allgemeinen Überzeugung kommen, dass der deutsche „Volkskörper“ einen größeren Lebensraum benötige und deshalb alle unterlegenen Menschen wie die der „jüdischen Rasse“ oder als „lebensunwert“ befundene Menschen vernichtet werden müssen. In die Kategorie „lebensunwert“ fielen „Asoziale“, psychisch Kranke, Behinderte und so genannte „Gemeinschaftsunfähige“, an Syphilis erkrankte Erwachsene und sogar Kinder, deren Vorfahren nicht als völlig rein, d.h. „arisch“ bezeichnet wurden.
Zu dem Begriff „Asoziale“ gehörten dabei Ausländer, Vorbestrafte, Prostituierte, Angehörige von Personen, die sterilisiert wurden, Rauschgiftsüchtige, Landstreicher, „Unwirtschaftliche“, „Arbeitsscheue“, Sonderlinge, „Nichtsnutze aller Art“, Verkehrssünder und „Raufbolde“, Menschen mit „getarntem Schwachsinn“ (gemeint sind Menschen, die nicht ohne finanzielle Unterstützung des Staates leben können), Menschen mit „moralischem Schwachsinn“ (gemeint sind vor allem unangepasste Frauen).
Euthanasie
Unmittelbar nach der Machtübernahme 1933 begannen die Nationalsozialisten den sich aus den Rassentheorien ergebenden Euthanasiegedanken auf grausame Art und Weise in die Tat umzusetzen.
Am 14.7.1933 wurde das „Gesetz zur Verhinderung erkrankten Nachwuchses“ (GVN) verabschiedet, durch dessen Umsetzung bis Mai 1945 ca. 400000 Zwangssterilisationen an Männern und Frauen stattfinden. Dabei sterben ca. 5000 Menschen, von denen ca. 90% Frauen sind. Gleichzeitig wird verstärkt Propaganda gegen die „Schwachen“ betrieben.
Am 1.9.1939 beauftragt Hitler den Reichsleiter und Chef der Kanzlei des Führers, V. Bouhler sowie Hitlers Begleitarzt, Dr. K. Brandt durch den so genannten „Gnadentoderlass“ mit der Durchführung der Euthanasie. Allein im September 1939 kommen bei Massentötungen in polnischen Anstalten ca. 3700 Patienten ums Leben.
Ab April 1940 beginnen mit dem Start der „Aktion T4“ die Tötungen auch in Deutschland. Zur Tarnung werden die Anstalten Ursprungs-, Durchgangs- und Vollzugsanstalten genannt. Gleichzeitig werden im Rahmen der ebenfalls im April 1940 gestarteten „Aktion 14f13“ psychisch Kranke und andere Häftlinge in KZs ausgesondert und mit Giftgas ermordet. Der Name leitet sich aus dem Aktenzeichen der Tötungsaktion her: 14 steht für Todesfälle im KZ und 13 für die Todesart -Vergasung .
Als Reaktion auf die öffentlichen Proteste, insbesondere von Geistlichen wie dem Münsteraner Bischof Gahlen erfolgt am 24.8.41 ein „offizieller“ Euthanasie-Stopp. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden bereits 70272 Todesopfer registriert.
Ab August 1942 finden jedoch wieder Massentötungen ohne offiziellen Erlass (auch als „wilde Euthanasie“ bezeichnet), vorrangig durch Medikamente und „Hungerkuren“, statt.
Die Arisierung als Folge der Rassenlehre
Ein weiteres Ergebnis der von den Nationalsozialisten in die Tat umgesetzten Rassentheorien war die so genannte Arisierung.
Mit dem verschleiernden und verharmlosenden Begriff der Arisierung bezeichnete man die schrittweise totale Enteignung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus.
Der Begriff bezieht sich auf die von den Nationalsozialisten vertretenen Vorstellung einer »arischen Herrenrasse «, die es aber nur in deren Vorstellung gab.
'Arisiert' wurden Unternehmen verschiedenster Art.
Von einer Enteignung im heutigen Sinne - die nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf Grundlage von Gesetzen zulässig ist - kann auf keinen Fall gesprochen werden, eher schon von einem staatlich gefördertem Raubzug, der zudem kaum gesetzlich bemäntelt wurde.
Ab dem 1. Januar 1938 war Juden das Betreiben von Einzelhandelgeschäften und Handwerksbetrieben sowie das Anbieten von Waren und Dienstleistungen untersagt.
Im Herbst 1938 befanden sich von ehemals 100.000 Betrieben jüdischer Inhaber nur noch 40.000 in den Händen ihrer rechtmäßigen Besitzer.
Mit der »Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben« vom 12. November 1938 fanden die Arisierungen ihren Abschluss: die verbliebenen Betriebe jüdischer Inhaber wurden damit zwangsweise neuen nichtjüdischen Besitzern übergeben (»arisiert«) oder aufgelöst.
Die Erlöse wurden zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt.
Schmuck, Juwelen, Antiquitäten, Immobilien und Aktien mussten zu Preisen weit unter Marktwert zwangsweise verkauft werden oder wurden ebenfalls beschlagnahmt.
Für den jüdischen Eigentümer bedeutete dies den Ruin.
Jüdische Arbeitnehmer wurden gekündigt, die Selbständigen unterlagen einem Berufsverbot.
Viele Unternehmen bzw. Unternehmensanteile wurden weit unter dem wirtschaftlichen Wert weiterveräußert.
Einige davon - z. B. das Kaufhaus Hertie - spielten eine wichtige Rolle in den späteren Aufbaujahren der Bundesrepublik Deutschland und sahen sich dem Vorwurf ausgesetzt, das »deutsche Wirtschaftswunder« beruhe zum Teil auf geraubten Werten.
In einem erweiterten Sinn wurde der Begriff auch auf andere Bereiche ausgedehnt, z. B. auf das Kulturleben und bezeichnete in diesem Zusammenhang die Vertreibung oder Vernichtung jüdischer Kulturschaffender und Wissenschaftler.
Die “Geheimsache Lebensborn“
Als Folge der Unterteilung zwischen lebenswerten und lebensunwerten Menschen kam es aber nicht nur zur Euthanasie und Arisierung, sondern parallel zu der Enteignung und Vernichtung vorgeblich andersrassiger Menschen wurde sogar ein Programm zur gezielten Zucht von »Herrenmenschen« ins Leben gerufen.
Diese so genannte »Geheimsache Lebensborn« war ein Lieblingsprojekt des Reichsführers Heinrich Himmler.
1935 wurde das »Heim Hochland« in Steinhöring bei München eröffnet.
Dort wurden Männer und Frauen nach genauester genetischer Untersuchung, zusammengebracht, um „arische Kinder“ zu zeugen.
Auch schwangere Frauen, die - zumindest vor dem Krieg - mindestens bis zu den Großeltern bestimmte »Rassemerkmale« wie »blond« und »blauäugig« nachwiesen, konnten sich bewerben.
Falls ihr zugesagt wurde, konnte die Frau die gesamte Schwangerschaft inkognito, auf Wunsch auch weit entfernt vom Heimatort, bis einige Wochen nach der Geburt des Kindes in einem solchen Heim des »Lebensborn e.V.« zubringen.
Die männlichen Sexualpartner - meist SS-Männer, mussten ebenfalls einen Rassenachweis erbringen.
Die Kinder wurden in den Heimen erzogen und - soweit sie den »Rasseanforderungen« genügten - zur Adoption freigegeben, bevorzugt in Familien von SS-Angehörigen.
Die Aktion Lebensborn wurde auch in Norwegen durchgeführt.
In deutschen Lebensbornheimen wurden bis Kriegsende 8000 Kinder geboren, in Norwegen 12000.
Die Herrenrassen-Politik der Nationalsozialisten war, auch genetisch betrachtet, abwegig. Bereits damals war wissenschaftlich klar, dass Reinrassigkeit aufgrund der eingeschränkten Vielfalt der Erbinformation zu weniger gesunden und leistungsfähigen Lebewesen führt. So wurde bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA eine Hybridzüchtung von Hühnern durchgeführt, die eine deutliche Leistungssteigerung ergab. Wäre die Rassenpolitik der Nationalsozialisten nicht durch den Untergang des 3. Reiches beendet worden, so wäre als Zuchtergebnis nicht etwa eine besonders leistungsfähige Rasse hervorgegangen, sondern eher das Gegenteil:
Blonde, blauäugige, geistig behinderte Menschen mit einer Ansammlung rezessiver Gene, wie man sie schon immer in Inzuchtlinien findet.
Moderne Genetiker schließen deshalb eine biologisch begründete Überlegenheit von Rassen aus.
Die Neonazis und die Rassenlehre
Allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz gibt es jedoch immer noch Menschen, die das Gedankengut der Rassenlehre zu ihrer Gesinnung erheben.
Ein Vergleich der Parolen der Neonazis (Skinheads, NPD, DVU, REPS etc.) mit denen ihrer Vorgänger aus den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zeigt, dass im Zentrum ihrer »Weltanschauung« noch immer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus stehen.
Dem »Deutschtum«, der Rettung der deutschen Nation vor ihren vermeintlichen Feinden gilt die ganze politische Leidenschaft der Schlägertrupps aus der jungen Generation und der Parteifunktionäre aus der älteren.
Da die Sowjetunion nicht mehr existiert und die Arbeiterbewegung in ihrer heutigen Gestalt für niemanden mehr eine Gefahr darstellt, ist die früher beliebte antisozialistische oder antikapitalistische Rede bei den heutigen Rechten unterbetont.
Das alte faschistische Programm schrumpft damit auf die eine Leidenschaft, die die Pogromhelden, Fememörder und SA-Männer auszeichnet, die in den letzten Jahren der Weimarer Republik zu Saalschlachten und Straßenkämpfen ausrückten und dann 1933, nach der »Machtergreifung«, in ihren privaten Folterkellern mit Linken und Juden »abrechneten«.
Die Droge Nationalismus macht süchtig wie alle anderen.
Und da die Neonazis mit ihrem Drang, die Nation und wenn möglich auch den Rest der Welt zu säubern, nie an ein Ende kommen können, weckt jede ihrer Menschenjagden die Lust auf eine nächste.
Er wird ausgelebt in der Hatz auf inländische Ausländer, auf Andersfarbige, Flüchtlinge, Aussiedler, Obdachlose, Homosexuelle und Behinderte.
Dieser eindeutig von der Rassenlehre abgeleitete Ansatz gilt vor allem der Reinigung der deutschen Herrenmenschen-Nation von allen Fremden und Schwachen.
In zweiter Linie gilt die zerstörende Leidenschaft der heutigen Nazis aber auch den Menschen und Gruppierungen, die sie an ihrem Treiben hindern wollen: den Linken sowie den Intellektuellen, die für die den Nazis missliebigen Gruppen eintreten; den Menschenrechten und dem Staat, der sie verteidigen soll sowie der parlamentarischen Republik schlechthin.
Die Nazis von heute erinnern am ehesten an ihre Vorgänger aus den ersten Jahren der Weimarer Republik: Noch suchen sie nach ihrem »Führer«, einem wortgewaltigen »kleinen großen Mann«, der ihnen verspricht, dass sie sich an allen Fremden und Schwachen schadlos halten dürfen, wenn sie ihm nur »folgen«, ihm ihre Stimmen und Fäuste leihen. Noch bilden sie keine »Bewegung«, und noch sind sie kaum bewaffnet.
Aber sie würden gern bald einmal den Marsch auf eine »Feldherrnhalle« proben, zum Beispiel durchs Brandenburger Tor und zum Reichstag.
Sie rekrutieren sich aus dem Sechstel der Bevölkerung, das aus seiner antisemitisch-fremdenfeindlichen Haltung in allen Umfragen nach 1945 kein Hehl gema
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