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Feuerzwerg schrieb am 10.3. 2009 um 18:35:55 Uhr über

Rasse

Widerspruch gegen Rassentheorien gab es, seit es Rassentheorien gibt: Humanisten wie Herder, Forster oder Lichtenberg sprachen sich schon zu Kants Zeiten gegen den Rassebegriff aus. „Im einzelnen können zwischen den menschlichen Populationen, einschließlich kleineren Gruppen, genetische Unterschiede festgestellt werden. Diese Unterschiede vergrößern sich im allgemeinen mit der geographischen Entfernung, doch die grundlegende genetische Variation zwischen Populationen ist viel weniger ausgeprägt. Das bedeutet, dass die genetische Diversität beim Menschen gleitend ist und keine größere Diskontinuität zwischen den Populationen anzeigt.“[28] Eine einheitliche Klassifizierung sowohl nach morphologischen Kategorien wie »Hautfarbe«, »Haarstruktur« etc. hat sich als ebenso wenig haltbar erwiesen wie eine genetische Einteilung.

Anthropologen wie Theodor Weitz oder Franz Boas widersprachen dem jeweils zeitgenössischen Rassismus von Chamberlain. Spätestens mit den Ergebnissen der UNESCO-Arbeitsgruppe von 1950 gilt der Rassebegriff als wissenschaftlich nicht haltbar.

Die Zahl der aufgestellten Gruppen schwankte sehr stark, wobei sich die bereits von Linné angenommenen vier Urtypen (siehe die Geschichte der Rassenforschung) oder die drei großen Rassenkreise - Europide (Europa, Naher Osten, Nordafrika, Indien), Mongolide (Ostasien und Ureinwohner Amerikas) und Negride (Afrika) - besonderer Beliebtheit erfreuten. Diese wurden häufig weiter ausdifferenziert in zahlreiche Mischformen (z.B. Turanide, Australide) und Unterteilungen. So wurden beispielsweise die Europiden nochmals aufgefächert in Nordide, Osteuropide, Dinaride, Dalo-Fälide, Alpinide, Mediterranide, Armenide, Indide.

Inzwischen sind diese Klassifikationen durch die Erkenntnisse der modernen Genetik überholt. Humangenetiker wie Luigi Cavalli-Sforza argumentierten, dass äußerliche Unterschiede wie Haut- und Haarfarbe, Haarstruktur und Nasenform lediglich eine Anpassung an unterschiedliche Klima- und Ernährungsbedingungen sind, die nur von einer kleinen Untergruppe von Genen bestimmt werden. Im Prinzip ist jede beliebige Untergruppe - theoretisch auch die Bewohner eines einzelnen Dorfes - durchschnittlich von anderen unterscheidbar. Anders ausgedrückt ist beim Menschen die Vielfalt so groß, dass es unzweckmäßig ist, diesen als Art zoologisch zu untergliedern. Dieses Argument hat bereits 1871 Charles Darwin in seinem Buch über die Abstammung des Menschen benutzt. [29]

Wenn der durchschnittliche Unterschied zwischen zwei Gruppen von Individuen hinreichend groß ist, um auf den ersten Blick erkennbar zu sein, werden diese dem Biologen Ernst Mayr zufolge von Anhängern des Populationsdenkens als Rassen klassifiziert.[30] Demnach sei das Vorkommen von Rassen nach Ernst Mayr eine allgemeine Erscheinung in der Natur, welche bei zwei Dritteln aller Tier- und Pflanzenarten, inklusive des Menschen, auftritt.[30] Die Ansicht der Typologen, dass jeder Vertreter einer Rasse die für diese typischen und ihn von allen Vertretern anderer Rassen unterscheidbare Merkmale aufweise, lehnt Mayr ab. Für ihn bauen alle Rassen-Theorien auf dieser Grundlage auf.[30] Er betrachtet Rassen als sich potentiell überschneidende Populationskurven, bei denen die Varietät innerhalb einer Rasse größer als zwischen den Rassen sein kann.[30]

Cavalli-Sforza und andere Wissenschaftler sprechen von Populationen (Gruppen, die einen präzise bestimmten Raum bewohnen) - ein Begriff, der nicht biologisch, sondern statistisch definiert ist. Genetische Unterschiede zwischen Populationen lassen sich anhand einzelner Merkmale (z.B. Blutgruppen) erfassen. Dabei liegt etwa 85% der bei Menschen erkennbaren genetischen Variabilität innerhalb einer Population vor; etwa 8% betreffen Unterschiede zwischen benachbarten Gruppen und nur 7% gehen auf Unterschiede zwischen den typologisch definierten »Rassen« zurück. Genetisch betrachtet können somit laut Cavalli-Sforza zwei Menschen aus verschiedenen Kontinenten stärker einander ähneln als Individuen einer spezifischen Gruppe, auch wenn sie z.B. eine unterschiedliche Hautfarbe haben.

Das Ziel solcher Untersuchungen genetischer Unterschiede ist nicht die Etablierung der Einteilung von Menschen in Rassen.

Populationen sind statistische Blöcke, die von der Wahl der jeweiligen Variablen abhängen, wobei es keinen bevorzugten Satz von Variablen gibt. Die „populationistische“ Ansicht leugnet nicht, dass es Unterschiede zwischen Menschen gibt; sie sagt aber, dass die historischen Rassekonzepte nicht besonders nützlich seien, um diese Unterschiede wissenschaftlich zu analysieren. So haben Analysen von SNPs von mehreren hundert Europäern ergeben, dass anhand dieser Merkmale europäische Populationen gegeneinander abgegrenzt werden können, beispielsweise Portugiesen und Spanier gegen Italiener.[31] [32] Diese Studien belegen zugleich, dass Konstrukte, die Gruppen von Populationen zu übergeordneten Einheiten zusammenfassen, letztlich rein willkürliche Grenzen zwischen den Entitäten setzen.

Dass Rasse ein soziales, kein naturwissenschaftliches Konzept sei, sagt auch der amerikanische Genomforscher Craig Venter. Seit Beginn der 1990er-Jahre wird durch die Arbeiten von Étienne Balibar (1992) und Stuart Hall (1989) verstärkt ein Rassismus ohne Rassen untersucht, bei dem für rassistisches Denken und Handeln kein explizit biologistisch definierter Rassebegriff mehr benötigt wird.


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