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die scham lebt schrieb am 19.8. 2002 um 16:27:16 Uhr über

Pubertätstotschämerinnerungen

skiferien in österreich. als spaß für unsere gruppe von etwa 25 jugendlichen erfand der leiter ein ganz tolles alptraummäßiges spiel, das über die ganze freizeit gehen sollte, das »der-küssende-und-ansteckende-räuber-spiel«: jeder erhält verdeckt einen zettel mit einem gesicht darauf, alle gesichter sind gleich, nur ein zettel zeigt ein gesicht mit stoppelbart. wer diesen zettel erhält, ist der räuber. der räuber muss versuchen, wann immer er will und die gelegenheit günstig ist, in der jugendherberge, auf der piste oder sonst wo, heimlich jemanden zu küssen und ihn damit zu seinem komplizen zu machen. der geküsste kann dann seinerseits durch küsse wieder andere auf die seite der räuberbande ziehen. dabei darf man natürlich nicht durch dritte beobachtet werden, damit sich die identität der räuber nicht in der bürgerlichen gesellschaft herumspricht und diese schutzvorkehrungen gegen die räuberischen angriffe trifft.
ich muß wohl kaum noch erwähnen, wer also das stoppelbartgesicht zog. ich dachte und lachte, was für ein blöder gag, alle haben also einen zettel mit stoppelbart, ist doch viel zu unwahrscheinlich, dass nur ich... aber warum zeigt sich bei allen anderen erleichterung? das elend war gewiss und für mich war schluss mit lustig. nach einer beklemmenden nacht und schlechtem schlaf habe ich mich denn entschlossen, dem unglück durch den erstmöglichen kuss schnell ein ende zu machen. also: ein mädchen unserer gruppe an einer einsamen stelle der piste ausgemacht, mit harmlosem vorwand genähert, »ach hallo, tolle piste, nicht wahr...«, und dann mit einem kuss auf die wange zugeschlagen. sie glotzt mich an, »spinnst du, was soll das?«. »ja, äh, ich bin doch der räuber...«. »jaja, komm mir nicht so, das kannste deiner oma erzählen, hab ich mir gleich gedacht, dass ihr geilen böcke den quatsch nur ausnutzt.« sprach sie und stürzte sich auf die piste. das hat meinen mut vollkommen demoralisiert, ich habe dann auch nicht mehr so recht eine gelegenheit gefunden und mich nicht mehr getraut. da also nach zwei tagen die räuberbande immer noch eine one-man-show war, sah sich der gruppenleiter genötigt, in einer ernsten sitzung ein strenges wort zu sprechen: »der räuber scheint ein spielverderber zu sein...oder er ist so schüchtern, dass er sich nicht traut. ich biete ihm hiermit an, mich diskret unter vier augen anzusprechen. dann können wir über das problem reden.« betretenes schweigen in der gruppe und mir war speiübel. am nächsten tag dachte ich mir dann, »dieses arschloch, ich bin zum skifahren hier...« und habe mich zu einem bewussten boykott entschlossen.
diese ferien waren irgendwie scheisse und skigefahren bin ich auch nie mehr seitdem.


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