In P* im W*er Land, einer für ihren Spargelanbau weitgerühmten Gegend unweit der niederländischen Grenze, konnte die amtierende Spargelprinzessin Katja II. (20) vor 14 Jahren den traditionellen Erststich Mitte April nicht durchführen, da sie zu dieser Zeit bereits mit heftigen verfrühten Wehen in ein Krankenhaus eingeliefert und von einem gesunden Siebenmonatsjungen entbunden wurde. Zusätzlich zur Blamage, daß P. ausgerechnet im Jahre seines 700jährigen Bestehens ohne Spargelprinzessin dastand (welche dem Brauch zufolge, so auch Katja zwo, unverheiratet zu sein hatte) ergab sich durch ein einfaches Nachrechnen, daß sie wohl am Tage ihrer Kürung zugleich die Mutterschaft empfangen hatte. Insistierendes Nachhaken der Eltern und des mehrheitlich versammelten Spargelrates bei der verheult Geständigen förderte nun zutage, daß sie nach der zeremoniellen Spargelkör mit insgesamt fünf ortsansässigen Herren eine Nachfeier veranstaltet hatte, in deren Verlauf es zu einer ungeordneten, jedoch einvernehmlichen Beiwohnung der Spargelprinzessin durch sämtliche Anwesenden kam, von denen es heißt, daß sich hierunter auch der Bürgermeister sowie eine Hauptmann der freiwilligen Feuerwehr befunden hätten. Was sollte geschehen? Eine Art dörfliches Femegericht tagte und entschied, daß aus Wahrung der Schicklichkeit allen Beteiligten gegenüber von einem vaterschaftsbestimmenden Gentest Abstand zu nehmen sei; in Anbetracht der Gesondertheit der Umstände, und da Katja II. als Tochter eines wohlhabenden Gestütsbesitzers kaum den Ruin zu befürchten hätte, müssten vom Jahr der Geburt des Kindes an bis zu seinem 18ten Lebensjahre jene fünf der Gemeinde namenlos bleibenden Männer je ein Fünftel ihrer Spargelernte zum Nutzen des Kindes veräußern, damit dieser Betrag treuhänderisch angelegt später für seine künftige Existenzgründung bereitgestellt sein möge. So geschah es auch, und einmal im Jahr finden sich seither, meist Mitte Mai, wenn nach kurzen, warmen Schauern besonders zarte, gerade Stangen geschossen sind, etliche Fuder des Edelgemüses bei Sonnenaufgang vor der Tür des Gemeindehauses, von wo aus er als sogenannter Prinzenspargel teuer — nicht unter 16 Euro das Kilo — verkauft wird und von eingeweihten Feinschmeckern und Brauchtumsliebhabern jedes Jahr aufs neu erwartet wird. Es ist nämlich üblich, einen Bund Prinzenspargel der Angebeteten festlich dekoriert zusammen mit einer Einladung zum Maitanz zu überreichen und der Verzehr des Prinzenspargels wird als besonders aphrodisisch gepriesen. Der 2009er Jahrgang, vermutlich der letzte Prinzenspargelverkauf, gilt bereits jetzt als komplett subskribiert. Da jedoch nach wie vor ein letzter Schleier der Diskretion über den fünf ungenannten potentiellen Vätern und Stiftern des Prinzenspargels gewahrt bleibt, schreibt kein Heimatbrief und kein Gourmetführer den Namen und die Geschichte jenes kleinen Ortes im W*er Land auf und auch mir ist möglicherweise ein ungutes Schicksal beschieden, wenn ich mich so kühn erfreche, hier an exponierter Stelle diese kleine Begebenheit zu hinterlassen, was jedoch, so hoffe ich, durch die Unausgeschriebenheit des Ortes P* hoffentlich abgewendet bleibt. Wir grüßen Katja und ihren Sohn Oliver.
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