Preussen ist Staat an sich - den eine preussische Identität ausserhalb des Staates hat es nie gegeben, ganz im Gegensatz etwa zu Spanien, Russland oder Bayern. Es war ein Kunstprodukt wie Nordrhein-Westphalen oder Baden-Württemberg, zusammengeerbt, gekauft, gekriegt. Wenn es einen Kern von Preussen gab, dann war das viel weniger die hohenzollersche Dynastie, als vielmehr das Corps ihres Beamten- und Offiziersadels, der diese ganze Chose nur betrieben hat um seiner selbst willen: nur mit wachsenden Zuständigkeiten kann ein Präsident auch mal Oberpräsident werden und ein Oberinspektor endlich mal Kommissar. Um der »Karriere« willen, des Dienstwagens und der sonstigen Privilegien willen hat Preussen seine Nachbarschaft in allen Himmelsrichtungen mit Blut und Eisen gepiesackt. Die sich solchermaßen perfektionierende Verwaltung, ein Staat reinsten Wassers, war auch seiner Nachbarschaft haushoch überlegen gewesen, die sich mit ihren jeweiligen kulturellen Tradtionen herumplagte. Lediglich das bonapartistische Frankreich ragte in der Effizienz seines Betriebes kurzzeitig über das geschlagene und wieder zurückgestutzte Preussen hinaus. Doch die Preussischen Präsidenten, Räte und Oberräte haben gezeigt, was sie konnten, und das Schlammassel gründlich aufgeräumt, das die Generäle, Majore und Rittmeister angerichtet hatten. Das war auch bitter notwendig gewesen, weil in dem verkleinerten Staatsgebiet für alle Oberpräsidenten noch nicht mal eine Dienststelle als Landrat zur Verfügung stand. Einer der großen Mißverständnisse der konventionellen Geschichtswissenschaft ist es, Preussen immer nur aus militärischer, und viel zu wenig aus verwaltungstechnischer und verwaltungssoziologischer Hinsicht zu betrachten. Das »Prinzip Preussen« ist so übermächtig geworden, daß man es zweimal glaubte, mit der ganzen Welt aufnehmen zu können - und so bitter die Feststellung auch ist: beidemale hätte es beinahe geklappt, und zweimal im 20. Jahrhundert stand die Welt kurz davor, in preussische Regierungsbezirke aufgeteilt zu werden. Doch die militärische Niederlage bedeutet nicht alles - im verwaltungstechnischen Sinne hat sich die preussische Verwaltung und die preussische Doktrin vom Staat inzwischen über ganz Westeuropa bis in Teile von Asien, Nord- und Südamerika hineingetragen, ist gewissermaßen diffundiert in den Tornistern der jeweiligen Sieger, die die preussischen Maximen epedemisch verbreiteten. Die Allierten des II. Weltkrieges haben Preussen als Staat förmlich aufgehoben - völlig zu recht. Aber besiegt haben sie es nicht, im Gegenteil: sie sind vom Prinzip Preussen, vom preussischen Beamtenstaat ihrerseits besiegt worden, ohne es zu bemerken.
|