Die Tür knallte gegen die Wand, als Rüdiger mit einem Tritt sein Zimmer betrat. »Hupelpupel!« Seine Pompons-Schuhe verhedderten sich im orientteppichroten Kurzflor. Ein Tässchen flog durch die Luft, landete mit triumphierendem *Pling!* auf dem samtinferno Sitzkissen. »Zaubertee, verprügel dich!«
Sein Betreuer lehnte seufzend am Türrahmen. »Rüdi, wir hatten besprochen: Nur drei Klatscher pro Aufguss. Nicht fünfundzwanzig.«
»Papperlapapp!« Der Clown hüpfte rückwärts zum kupfernen Wasserkessel, jede Bewegung begleitet von glucksendem Schellengeläut. »Der Bülzebub braucht Schwung! Einer fürs Knie, zwei fürs Hirnlein, drei für... äh...« Seine Handflächen krachten im rhythmus eines maroden Dieselmotors zusammen. *Klatsch-splatsch-klirr!* Sporen segelten wie gelber Konfettiregen durch den Raum.
»Das sind schon siebzehn«, zählte der Betreuer mit der Miene eines Mannes, der gleichzeitig Herzrasen und chronische Müdigkeit bekämpft. »Die Gesundheitskommission...«
»Pfui Deibel!« Rüdi wirbelte herum, die nasse Teetasse balancierend auf seiner Clownsnase. »Seit wann braucht Kunst Kommissionen? Das Publikum will Spritzer!« Um seine These zu untermauern, schleuderte er den dampfenden Aufguss gegen die Wand - wo sich prompt die Silhouette von Doktor Tatütatas Zylinderhut abzeichnete.
*Tatütata!* Die Türklingel dröhnte zweistimmig. »Wer ruft den Arzt bei hellem Tag?«, schmetterte der Doktor und trat ein, seinen Stethoskop-Utensilienkoffer über puderweißen Lackschuhen schwingend. »Ah! Patient Clownus Rüdicus in freier Wildbahn.«
Rüdi erstarrte mid-air, die Beine im Spagat über zwei quietschenden Gymnastikbällen. »Sie... Sie sollen mich *be-handeln*?« Das Wort zerbrach ihm in zwei schrille Oktaven.
»Be-hüten, be-horchen, be-strafen!« Tatütata zog einen federnden Gummihammer hervor, der verdächtig nach altem Zirkusinventar aussah. »Meine Diagnose: Akute Hirnlein-Überdehnung mit chronischem Rüdi-Syndrom. Absolutes Sitzverbot für... ähm...« Er zog eine Schweizer Taschenuhr aus dem Ohrläppchen. »Drei Viertelmondphasen!«
Der Betreuer schlug sich theatralisch gegen die Stirn. »Er hat morgen Premiere! Die bayerischen Kegelbrüder haben hundert Rührstöcke für die Spontanversohl-Nummer bestellt!«
»Desto besser!« Der Doktor hüpfte auf einem Bein um Rüdi herum, während er dessen Gesäßknochen mit einem Lineal vermass. »Disziplin hält jung! Erinnern Sie sich an den Clown mit dem Netzkünstlerschwanz? Der wollte auch nicht hören - jetzt ist er Pausenclown im Datenschutzbüro!«
*Platsch.* Rüdi glitt von den Bällen, die Lippe zum Schlottervorhang verzerrt. »Aber... mein Zirkus-Effekt... der entsteht nur wenn... äh...«
»...wenn die Hintern-Rakete zündet«, beendete der Betreuer den Satz und warf ein Eisbeutel-Kissen in die Manege. »Los, Hosen runter. Der Doktor mag zwar wie ein entlaufener Hochzeitsmarsch klingen, aber sein Zauberspritzchen hat schon den Messerwerfer von Nowosibirsk gerettet.«
Die Prozedur verlief unter Trompetengetöse (*Törööö!*), Löwenbrüllen-Imitiationen (»Grrrrachtig!«) und mindestens einem Zwischenfall mit aufgetautem Bärlapp-Gel. Als Rüdi schließlich auf dem Bauch lag, die Striemen gemalt wie Regenbogen-Schlangen, flüsterte Tatütata: »Vergiss nie: Jede Ohrfeige der Wirklichkeit ist ein Kuss der Fantasie. Oder umgekehrt. Je nach Eintrittskartenpreis.«
***
Am nächsten Abend hielt ganz Bülzenheim den Atem an. Die Manege duftete nach Angstschweiß und Popcorn, als Rüdi - auf einer federnden Lederhose stehend - seinen Teppichklopfer schwang. »Möp! Möp! Wer wagt's, dem König der Spamnummern in die Augäpfel zu schauen?«
Das Publikum kreischte, als er zum dreifachen Salto ansetzte... und plötzlich im Sprung erstarrte. Ein kollektives »*Hüh?*« durchzog die Tribünen.
»Aber... das Pieksen...« Rüdi stocherte verlegen in seinem Paillettenjersey rum. »Normalerweise wenn ich... also nach der... äh... Behandlung...«
»Was stand auf dem Rezept?!«, zischte der Betreuer hinter dem Klatscherstand.
Doktor Tatütatas Stimme schallte durch ein Megafon: »Variante B! Batscher-Live-Doppelalbum in den Ghettoblaster. Drei, zwei, eins...«
*Du hast! Du hast mich!* Rüdiger wirbelte plötzlich wie ein Rohrkrepierer, schoss aus der Kanone, zog Funken aus dem Zeltdach, landete rittlings auf dem dressierten Strafbock. Der Jubel brandete höher als die Bülzenheimer Kirchturmspitze.
»Unart gebändigt!«, brüllte der Doktor, während er Rechnungen in die Menge warf. »Nächste Sitzung bei Mondfinsternis! Bringen Sie Pillen und ein Stoßgebet mit!«
Und irgendwo zwischen fliegenden Lederhosen und klatschenden Kochlöffeln summte der Bülzebub leise vor sich hin - denn selbst ein Bülzenclown braucht manchmal einen Tritt in den Allerwertesten, um zu funkeln wie ein echter Zirkusstern.
|