Die Vorbereitung auf eine ernsthafte Prüfung wirkt sich auf den Kandidaten in einer Entsprechung zum hermeneutischen Zirkel aus: am Anfang steht das überwältigende Gefühl der Angst vor der riesigen Stoffmenge, den exorbitanten Anforderungen. Diese Angst nimmt in dem Maße ab, wie die Vorbereitungen fortschreiten, immer größere Teilmengen des Stoffes beherrscht werden. Man hat die ersten Gipfel des Gebirges bezwungen, und schaut von diesen wesentlich erleichtert auf die noch fremden Höhen. Doch dann, wenn man einen wirklich hohen Berg erklommen hat, und den Überblick über den Stoff gewinnt, erkennt man erst wirklich, wie kompliziert das alles ist, und wieviele Tücken, Schluchten, Abgründe und Steilwände sich da auftun, die man am Anfang garnicht gesehen hatte. Und so geht das weiter ad infinitum - und im Prinzip kann man nur hoffen, in einer euphorischen Phase des »Durchblickens« geprüft zu werden, statt in einer depressiven Phase des Verzweifelns. Mit dieser Neurasthenie fertig zu werden ist wohl die schwierigste psychische Herausforderung einer jeden Prüfung.
|