Prüfungen sollen eine Auslese der Besten darstellen - dies ist die Wurzel der Universität: Rekrutierungsstelle für fürstliche Räte. Die besten durften an die Höfe, die weniger guten mußten sonst sehen, wo sie unterkamen - an den kleineren Höfen und Ständen war das aber kein Problem. Heutezutage ist diese Vergabe von Berufsschancen eine schwierigere Sache. Es sind nicht mehr ein paar Dutzend, die jedes Jahr geprüft werden, sondern ein paar hundert, ja tausende in den Massenfächern. Nun ist das kein Problem, auch bei tausenden objektiv festzustellen, wer so grottenschlecht ist, daß man ihn nicht auf die Menschheit loslassen darf. Aber wer von den tausend so gut ist, daß er die zehn Stellen bei Hof (im Staatsdienst) bekommt - das wird mit zunehmender Zahl immer schwieriger, und irgendwann komplett unmöglich.
Eine Prüfung ist aus der Natur der Sache stets eine Stichprobe. Nur wenige Sektoren eines großen Stoffgebietes werden wirklich abgefragt. Wer zufälligerweise in diesen Abschnitten besonders »fit« ist, hat einen zufälligen, dh willkürlichen Vorteil. Auch ist eine Differenzierung im guten viel schwieriger, als im schlechten. Die Grenze zwischen »eins« und »zwei« - oftmals eine schicksalshafte Entscheidung für den Kandidaten - ist oftmals nur eine Grenze im subjektiven Geschmack der Prüfer. Trotzdem hält man daran fest, daß diese Differenzierungen, die oftmals auf 2 Stellen hinterm Komma ausgerechnet werden, objektiv seien. Wer eine 1,73 hat, sei besser, als jemand, der eine 1,74 habe. Und das ist natürlich totaler Kokolores.
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