Ungern erinnere ich mich an einen Portugal-Urlaub im Jahre 1999.
Folgendes trug sich zu:
Drei Tage nach meiner Ankunft lernte ich am Strand ein für portugiesische Verhältnisse recht hübsches 24-jähriges Mädchen kennen. Ich fragte sie, ob ich ihr aus meiner Frankfurter Allgemeinen vorlesen dürfe. Sie, offenbar Bedienstete eines nahegelegenen Hotels, willigte ein und verbrachte von nun an ihre spärliche Freizeit mit mir am Strand. Da mein Portugiesisch miserabel und ihr Deutsch ein Desaster war, beschränkte sich unsere Unterhaltung auch weiterhin auf mein Vorlesen ausgewählter Artikel aus der FAZ.
Mit einem kurzen Blick prüfte ich stets ihr Interesse, das aber trotz bewußt gewählter trockenster Materie einfach nicht erlahmen wollte.
Im Gegenteil, sie geriet ob meines Vortrags in derartige Verzückung, daß ich nicht umhinkam, ihre Aufmerksamkeit, vor allem aber ihre glänzenden braunen Augen zu preisen. Am Tage meiner Abreise schließlich faßte sie sich ein Herz: Wir verabredeten ein Wiedersehen im nächsten Sommer. Außerdem schlug sie einen Augentausch vor, da ich ihre Augen doch so mochte. Na gut, ich wollte sie nicht kränken, wir tauschen sie eben im nächsten Jahr wieder zurück. Ich gab ihr meine blauen Augen und ich nahm ihre braunen, setzte sie mir sogleich ein. Sie sah so ungewohnt aus, auch waren meine Augäpfel etwas zu groß für sie.
Wie auch immer, ich saß längst im Flieger zurück nach Deutschland, widmete mich wieder meiner FAZ-Lektüre, als ich feststellen mußte, nichts mehr lesen zu können. Abgesehen von ein paar Schlagzeilen konnte ich mit meinen portugiesischen Augen absolut nichts lesen.
In Deutschland angekommen, wurde mir klar, ich mußte ein Jahr lang warten, bis ich meine Augen zurückerhalten würde. Wenn überhaupt! Ich hatte nicht einmal eine Telefonnummer oder den Namen des Mädchens, ich mußte darauf vertrauen, sie nächsten Sommer am verabredeten Ort zur vereinbarten Zeit wiederzusehen. Gut, darauf, so dachte ich, könne ich mich verlassen, da sie wohl unmöglich den Rest ihres Lebens blau- und glotzäugig verbringen möchte. Dennoch erübrigte dies nicht eine kostspielige Laserbehandlung der portugiesischen Augen, denn eine Brille kam für mich nicht in Frage. Auch bedachte ich nicht die Unannehmlichkeiten, die mich im Kreise meiner Kollegen erwarteten. Wie sollte ich nur erklären, aus Sentimentalität einen Augentausch -ohnehin purer Leichtsinn- mit einem armen Mädchen vorgenommen zu haben, ohne auf eine Prüfung ihres Augenpaars bestanden zu haben, schließlich habe ich sie nicht geliebt.
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