Poesiealbum

Daniel Arnold erwidernd

Kann die Welt durch Poesie geheilt werden?
Die Antwort ist ja.
Wir sollten alle an einem Poesiealbum schreiben
das größer und größer wird
schöne-Sätze, Gedanken vom Dichliebhabenwollen
Lieder und Träume, Scherz und Ernst
die Kinder der Welt
und auch die Alten
sollten ihre Wünsche und Ängste beschreiben
bis schließlich ein Buch entstanden wäre
gegen das Zettels Traum
ein Reclamheftchen wäre.

Dieses Buch sollten dann alle Druckereien
kostenlos vervielfältigen
und die Buchbinder dieser Welt
versähen es mit einem schweren hölzernen Einband
mit metallenen Schließen gerade so wie
in der guten alten Zeit.
Abertausende, ach was, Millionen Exemplare.
Und dann kommt der große Moment:
Die Flugzeuge werden beladen!
Große silberne Flugzeuge
die sonst Bomben und Soldaten befördern
werden nun von schönen Transportarbeitern
mit DEM BUCH beladen.

Jetzt heben sie ab mit ihrer poetischen Ladung
auf Flughäfen überall in der Welt
steigen zum Himmel auf
und nähern sich den großen Städten.
Es ist soweit!
Auf ein Signal hin
kippen sie alle zugleich ihre Ladung aus
über Rom und Kalkutta, Riad und Moskau
New York und Düsseldorf (ja, Düsseldorf)
und trudelnd stürzen die Musenfolianten zur Erde.

Sie durchschlagen Dächer
zerschmettern Zoobesucher und Kinderkrippen
regnen auf Einkaufsmeilen und Basare
auch die Kaaba hat es erwischt
und im Vatikan ist der Papst
nur noch halb so groß: Volltreffer.
In Kingston Town liegen vier Rastas
unter einem Exemplar begraben
ihre Dreadlocks erinnern an Lesezeichen.
In Konstanz trifft eines einen Gastank
die Explosion trägt die Seiten bis Basel.

Das alles dauert fast einen Tag.
Einmal um den Globus bis zur Datumsgrenze.
Dann verstummt das Grummeln der Motoren.
Vollkommen traumatisiert
krabbelt der Rest der Welt unter Trümmern hervor
mühsam um Fassung ringend.
Ungeheuerliche poetische Bilder erstehen
etwa in Frankfurt–Bornheim:
Da liegt ein Hund begraben
die Hand seines Herrchens schaut hervor
und du kannst unter den Spritzern
noch den Eintrag lesen:

»Jeder Tag an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag«