Pilger, veraltet auch Pilgrim („Fremdling“), stammt vom lateinischen Wort peregrinus (oder peregrinari, „in der Fremde sein“) ab. Eine Einzelperson wurde früher als Pilgersmann bezeichnet. Im Kirchenlatein bezeichnet als pelegrinus eine Person, die aus religiösen Gründen in die Fremde geht, zumeist eine Wallfahrt zu einem Pilgerort unternimmt, zu Fuß oder auch unter Verwendung eines Transportsmittels.
Der Anlass einer Pilgerfahrt kann eine auferlegte Buße sein und das Bemühen, einen Sündenablass zu erhalten, die Erfüllung eines Gelübdes, in einem bestimmten Anliegen, religiöse Vertiefung oder Abstattung von Dank. Ziel ist ein als heilig betrachteter Ort, etwa eine Wallfahrtskirche, ein Tempel, ein Baumheiligtum usw.; das Pilgerwesen war und ist eng verbunden mit der Reliquienverehrung. In säkularisierten Gesellschaften wird Pilgern auch als eine Form des Wanderns betrieben.[1]
Inhaltsverzeichnis
1 Näheres zur Etymologie
2 Wallfahrtsorte der Antike
3 Pilgerwesen in Indien
4 Christliche Pilger in Spätantike und Mittelalter
5 Pilgern und Reformation
6 Pilger der Neuzeit
7 Siehe auch
7.1 Pilgerziele in den verschiedenen Weltreligionen
7.2 Christliche Einrichtungen, Riten und Bräuche im Pilgerwesen
7.2.1 historische Pilgerutensilien
7.3 Klassische Pilgerfeste und Wallfahrtsfeste im Judentum
7.4 Islam
7.5 Buddhismus
8 Filme
9 Literatur
10 Einzelnachweise
11 Weblinks
Näheres zur Etymologie
Wortwörtlich ist der Pilger einer, der „per agrum“, also von „über Land“, von jenseits des ager romanus kommt, wobei mit ager kein bebautes Feld gemeint ist, sondern das im Besitz befindliche, zur civitas gehörige Land. Insofern ist „Fremdling“ eine angemessene Übersetzung des Begriffes.
Vom Begriff „Pilger“ abgeleitet ist die in der österreichischen Umgangssprache abwertende Bezeichnung „Pülcher“, was „Gauner“, „Strolch“ oder „Betrüger“ bedeutet. Als etymologische Erklärung wird angegeben, dass manche Vagabunden, Zechpreller, Betrüger sich in Raststätten fälschlicherweise als Pilger ausgegeben hatten, und ohne die Zeche oder das Nächtigungsgeld zu bezahlen weiterzogen.[2]
Wallfahrtsorte der Antike
In früher Zeit galten unter anderem bestimmte Höhlen als heilige Orte, einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der griechischen Welt war der Tempel der Artemis in Ephesos, aber auch das Apollon-Orakel von Delphi wurde häufig besucht.
Einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Welt ist seit dem Bau des ersten Israelitischen Tempels bis heute Jerusalem, das zum zentralen Heiligtum der Juden wurde. Heute ist die Stadt allen drei monotheistischen Weltreligionen heilig: den Juden ebenso wie den Christen wegen Tod und Auferstehung Jesu Christi, die Muslime besuchen – außer ihrer Haddsch genannten Wallfahrt nach Mekka und Medina – bevorzugt den Felsendom in Jerusalem.
Pilgerwesen in Indien
Jain-Tempel von Palitana
Eine wichtige Rolle spielt das Pilgerwesen auch im Buddhismus (vgl. Kanischka-Reliquiar und Bimaran-Reliquiar) – so ist bereits für das 3. Jahrhundert v. Chr. ein Reliquienkult überliefert, der sowohl Reliquien Buddhas als auch die herausragender Mönche (arhats) umfasste. Später brachten chinesische Pilger wie Faxian (um 400), Songyun (um 520) und Xuanzang (um 630) von ihren Reisen durch den Norden Indiens den Buddhismus nach China. Ob Padmasambhava, der halbmythische Begründer des Buddhismus in Tibet, eine gleichgeartete Pilgerreise unternahm, ist unklar. Auch heute noch pilgern viele Gläubige (meist in organisierten Gruppenreisen) zu den vier heiligen Stätten Lumbini, Bodhgaya, Sarnath und Kushinagara in Nepal und Nordindien.
Auch der Hinduismus kennt zahlreiche heilige Stätten; die sieben heiligsten Orte sind Ayodhya (Geburtsort des Gottes Rama), Dwarka (Hauptstadt des Gottes Krishna), Haridwar (Quellplateau des Ganges), Kanchipuram (Großer Tempel von Shiva), Mathura (Geburtsort Krishnas) sowie Ujjain und Varanasi. In Ujjain, Haridwar, Nashik und vor allem am Zusammenfluss von Ganges und Yamuna bei Allahabad findet auch das Pilgerfest der Kumbh Mela statt.
Obwohl die Religion des Jainismus keinen Reliquienkult kennt, pilgern auch die Jainas nackt (Digambaras) oder in weißen Gewändern (Shvetambaras) in großer Zahl zu ihren vorwiegend auf Bergen gelegenen Heiligtümern (z. B. Mount Abu, Ranakpur, Palitana, Girnar, Shravanabelagola, Parasnath u. a.).
Christliche Pilger in Spätantike und Mittelalter
Seitdem im 4. Jahrhundert sich die Kunde verbreitete, Kaiserin Helena habe in Jerusalem, der Stadt, in der Jesus lebte, die Kreuzreliquien aufgefunden, mehrten sich die Wallfahrten nach Jerusalem. Dazu gehörten auch viele Frauen wie die geweihte Jungfrau Egeria, die vornehme Römerin Paula mit ihrer Tochter, der Jungfrau Eustochium, die zum Kreis um den heiligen Hieronymus gehörten, sowie die heilige Melania und ihre Großmutter gleichen Namens.
Die früheste schriftlich dokumentierte Reise eines christlichen Pilgers ins Heilige Land führte im Jahre 333 über den Landweg von Bordeaux nach Jerusalem; sie ist festgehalten im Itinerarium Burdigalense, einem auf Latein verfassten Reisehandbuch mit Angaben der Etappen auf dem Weg. Eine ähnlich große Bedeutung erlangte sehr bald Rom als Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus. Später trat Santiago de Compostela hinzu, das vor allem wegen der ausgezeichneten Infrastruktur mit einem von Klöstern betreuten weitgespannten Herbergennetz im Mittelalter führend wurde.
Auch viele Teilnehmer der Kreuzzüge ins Heilige Land verstanden sich selbst als (bewaffnete) Pilger.
Pilgern und Reformation
Zusammen mit anderen Reformatoren wie Zwingli und Calvin wandte sich auch Martin Luther gegen das überhandnehmende, mit Aberglauben und Ablasshandel verbundene Pilgerwesen seiner Zeit.[3] Schon Thomas von Kempen hatte in seiner Nachfolge Christi kritisch vermerkt: Wer viel pilgert, wird selten heilig. Nachdem Norwegen den Protestantismus annahm, wurde dort das Pilgern 1537 sogar unter Todesstrafe gestellt.[4]
Pilger der Neuzeit
Neuzeitlicher Pilger am spanischen Jakobsweg
Wegmarkierung auf einem Pilgerweg, hier eine stilisierte Jakobsmuschel in Spanien
Beispiel für einen Pilgerausweis, ein spanischer Credencial del Peregrino mit zahlreichen Stempeln
Skulptur in Pfullendorf mit Pilgerhut, Pilgerstab, Pelerine, Pilgermantel und Pilgertasche
Die katholische Kirche hielt gerade in Abgrenzung zu den Protestanten am Brauch der Wallfahrten fest und förderte sie. Ignatius von Loyola schildert beispielsweise in seinem Pilgerbericht seine Wallfahrt nach Jerusalem und Rom.
Die Pilgerväter waren eine Gruppe puritanischer Dissidenten aus England, die nach Amerika segelten, um eine Kolonie zu errichten, in der Glaubensfreiheit herrschen sollte.
In den letzten beiden Jahrhunderten kamen zu den alten Pilgerzielen Marienwallfahrtsorte wie Lourdes und Fátima hinzu. Neben diesen gibt es aber auch noch schier unzählige weitere Pilgerorte. In zunehmendem Maße wird in den letzten Jahrzehnten auch der Jakobsweg wiederentdeckt. Das heutige Pilgerwesen ist auch Gegenstand empirischer Forschung.[5]
Gelegentlich werden auch religiös motivierte Besucher von Orten, die wie Marpingen, Heroldsbach oder Međugorje nicht als Wallfahrtsorte anerkannt sind, als Pilger bezeichnet.
Siehe auch
Pilgerziele in den verschiedenen Weltreligionen
Liste von Wallfahrtsorten
Wallfahrt
Pilgerweg
Jakobsweg
Christliche Einrichtungen, Riten und Bräuche im Pilgerwesen
Pilgerausweis
Pilgerbericht
Pilgerschritt
Pilgersegen
Pilgerzeichen
historische Pilgerutensilien
Pilgerhut
Pilgerstab
Pilgerhorn
Klassische Pilgerfeste und Wallfahrtsfeste im Judentum
Pessach
Schawuot
Sukkot
Islam
Haddsch
Buddhismus
Junrei
Filme
Brüder III – Auf dem Jakobsweg
Dein Weg
Die große Reise
Die Milchstraße
Journey to Mecca: In the Footsteps of Ibn Battuta – ein Dokumentarfilm über den muslimischen Forschungsreisenden Ibn Battuta
Saint-Jacques… La Mecque – ein Spielfilm zum Thema „Pilgern“ im christlichen und teilweise muslimischen Kontext
Tres en el camino – ein dokumentarisch angehauchter Spielfilm über den Jakobsweg
Literatur
Detlef Lienau: Religion auf Reisen. Eine empirische Studie zur religiösen Erfahrung von Pilgern. Herder, Freiburg 2015, ISBN 978-3-451-61356-2.
Patrick Heiser, Christian Kurrat: Pilgern gestern und heute. Soziologische Beiträge zur religiösen Praxis auf dem Jakobsweg. Lit, Berlin / Münster 2012, ISBN 978-3-643-11889-9.
Andreas Klußmann: In Gottes Namen fahren wir. Die spätmittelalterlichen Pilgerberichte von Felix Fabri, Bernhard von Breydenbach und Konrad Grünemberg im Vergleich. universaar, Saarbrücken 2012, ISBN 978-3-86223-076-1.
Amt für Öffentlichkeitsdienst in Zusammenarbeit mit dem Gemeindedienst der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und dem Pilgerpastor an der Hauptkirche St. Jacobi, Hamburg (Hrsg.): Auf und werde – Der geistliche Begleiter für Pilgerwege. Lutherische Verlagsgesellschaft, Kiel 2009, ISBN 978-3-87503-138-6.
Raimund Joos: Pilgern auf den Jakobswegen. 7. Auflage. Stein, Welver 2013, ISBN 978-3-86686-394-1.
Raimund Joos: Warum der Schuh beim Gehen w e i t e r wird. Der spirituelle Jakobsweg-Coach. 2. Auflage. Tyrolia, Innsbruck 2012, ISBN 978-3-7022-2824-8.
Bernhard Kötting: Peregrinatio religiosa. Wallfahrten in der Antike und das Pilgerwesen in der alten Kirche. In: Forschungen zur Volkskunde. Nr. Heft 33/34/35, Regensberg, Münster 1950.
Norman Foster: Die Pilger. Reiselust in Gottes Namen. Krüger Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-8105-0610-9, S. 303.
Gerhard Fouquet (Hrsg.); Tobias Delfs (Red.), Thomas E. Henopp (Red.): Die Reise eines niederadeligen Anonymus ins Heilige Land im Jahre 1494. In: Kieler Werkstücke, Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Nr. 5, Lang, Frankfurt am Main u. a. 2007, ISBN 978-3-631-56777-7.
Thomas Frank, Michael Matheus, Sabine Reichert (Hrsg.): Wege zum Heil. Pilger und heilige Orte an Mosel und Rhein. In: Geschichtliche Landeskunde. Nr. 67, Stuttgart 2009.
Detlef Lienau: Sich fremd gehen. Warum Menschen pilgern. Grünewald, Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7867-2757-6.
Michael Matheus (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit. In: Mainzer Vorträge. Nr. 4, Steiner, Mainz 2000, ISBN 3-515-07431-7.
Michael Matheus, Heidrun Kreutzer: Unterwegssein im späten Mittelalter: als Pilger im Heiligen Land und im Michaelsheiligtum auf dem Monte Gargano. In: Franz J. Felten, Stephanie Irrgang, Kurt Wesoly (Hrsg.): Ein gefüllter Willkomm. Festschrift für Knut Schulz zum 65. Geburtstag. Shaker, Aachen 2002, ISBN 3-8322-0600-0.
Christof May: Pilgern. Menschsein auf dem Weg. In: Studien zur systematischen und spirituellen Theologie. Nr. 41, Echter, Würzburg 2004, ISBN 3-429-02617-2.
Angelika C. Messner, Konrad Hirschler (Hrsg.): Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung. In: Asien und Afrika. Nr. 11, EB, Schenefeld/Hamburg 2006, ISBN 3-936912-19-X.
Volker Reichert, Andrea Denke: Konrad Grünemberg – von Konstanz nach Jerusalem. Eine Pilgerfahrt zum Heiligen Grab im Jahre 1486. Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Lambert Schneider Verlag, Darmstadt 2015, ISBN 978-3-650-40063-5 und ISBN 978-3-650-40064-2.
Einzelnachweise
Arnd Krüger: Historie des Wanderns, in: A. DREYER, A. MENZEL & M. ENDREß (Hrsg.): Wandertourismus. München: Oldenbourg 2010, S. 15–21. http://books.google.de/books?hl=de&id=M9XoexLX8ZQC&q=Kr%C3%BCger#v=snippet&q=Kr%C3%BCger&f=false
http://www.duden.de/rechtschreibung/Puelcher, bar:Pülcher Der in der Bezeichnung „Pülcher“ umfasste Zusammenhang zwischen Wanderschaft und Betrugsbegehung findet sich auch im Begriff des „Mietnomaden“ wieder.
„Auch vom Pilgern hielt Luther nicht viel. Er war sich sicher, dass man Gott in Rom, Jerusalem oder Santiago de Compostela nicht besser dienen könne als zu Hause.“ (Fasten, Pilgern, Beten? Fromm sein nach Luther – Für den Reformator war das Gebet das Wichtigste)
nach Daniel Schneider in Planet Wissen – Pilgern, abgerufen am 12. Februar 2014: Während der Reformationszeit nahm das Pilgern stark ab. Martin Luther verglich das Pilgern im 16. Jahrhundert mit dem Ablasshandel, bei dem sich Menschen durch den Kauf von sogenannten Ablassbriefen weniger Zeit im Fegefeuer erhofften. Er bezeichnete das Pilgern als „Narrenwerk“ und spottete über den Jakobsweg nach Santiago de Compostela: „Lauf nicht dahin, man weiß nicht, ob Sankt Jakob oder ein toter Hund daliegt.“ In Norwegen wurde das Pilgern ab 1537 sogar unter Todesstrafe verboten und von den damals herrschenden Protestanten als Irrlehre angeprangert. Doch auch die Pilgerbewegung wurde reformiert: Die Beweggründe des Pilgers wurden in der breiten Masse nicht länger vom Zwang und festen Regeln geprägt, sondern galten als freiwillig und individuell. Die Strecke musste beispielsweise nicht mehr in einer bestimmten Anzahl von Tagen zurückgelegt werden.
Detlef Lienau: Religion auf Reisen. Eine empirische Studie zur religiösen Erfahrung von Pilgern, Freiburg: Herder 2015, insbes. S. 300ff
Weblinks
Wiktionary: Pilger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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