Der Aufruf zum Kongress vom 3. März 2010 (auch als PDF abrufbar)Schafft eine demokratische Öffentlichkeit!
Unter welchen Bedingungen wird in der Bundesrepublik öffentlich über Politik verhandelt? Wer und was kommt zur Sprache, was bleibt im Dunkeln? Welche Möglichkeiten zum Eingreifen haben wir? Und wie sollte eine politische Öffentlichkeit aussehen, die demokratische Teilhabe ermöglicht? Um solche Fragen geht es auf dem Kongress »Öffentlichkeit und Demokratie« im Herbst 2010 in Berlin.
Der Zustand der politischen Öffentlichkeit löst ein Unbehagen aus, das Oskar Negts These der »unterschlagenen Wirklichkeit« gut beschreibt. Die veröffentlichte Meinung wird nach wie vor von großen Parteien und Verbänden beherrscht. Dass diese Dominanz nicht in Frage gestellt wird, liegt auch an der Krise der Massenmedien als »vierte Gewalt« und an der Krise des kritischen Journalismus. Der Konzentrationsprozess der Medien ist so weit vorangeschritten, dass in vielen Regionen Pressemonopole bestehen. Der Druck von Anzeigenkunden auf die Redaktionen steigt. Teilweise schränken Sparmaßnahmen und repressiver gewordene Produktionsbedingungen die innere Pressefreiheit ein. Die etablierte Öffentlichkeit und insbesondere die kommerziell ausgerichteten Massenmedien tragen eher zur Apathie als zur Aktivierung bei. Öffentlich-rechtliche Medien passen sich der privaten Konkurrenz an. Den Beschränkungen der »vierten Macht« steht das subtile oder auch offene Wirken von Spin doctors und PR-StrategInnen gegenüber, die sich rühmen, beliebige politische Inhalte in den Massenmedien unterbringen zu können.
Die demokratische Öffentlichkeit ist aber auch an anderer Stelle in Gefahr. Trotz informationellen Selbstbestimmungsrechts und Informationsfreiheitsgesetzen werden Geheimbereiche ausgeweitet, während die BürgerInnen der Datensammelwut von Unternehmen und staatlichen Organen ausgeliefert sind. Auf lokaler Ebene kämpfen kritische Initiativen häufig mit Ignoranz. Sie haben Probleme, öffentliche Diskussionen und die Selbstermächtigung der BürgerInnen anzustoßen. In einigen Kommunen haben gar Rechtsradikale die Meinungsführerschaft übernommen und offen menschenfeindliche Positionen bleiben unwidersprochen. Gerade an der damit verbundenen Praxis ließe sich eine Verlustgeschichte an Publizität bei einer zugleich wachsenden Informationsflut aufzeigen.Wenngleich insgesamt zu Optimismus wenig Anlass zu besteht, so deutet doch nicht alles in Richtung eines Zerfallsgeschichte politischer Öffentlichkeit.
Auf dem Kongress sollen die vielfältigen Gegenbewegungen zu den geschilderten Entwicklungen analysiert, Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet werden. Wie kann man dem Unbehagen, der Gegenrede, eine Stimme geben? - Journalisten, Medienaktivisten und Blogger können ein wichtiges Korrektiv sein. Bürgerinitiativen bringen Themen auf, die zuvor beschwiegen wurden. Neue Formen von Öffentlichkeit können Meinungsmonopole unterlaufen oder bloßstellen.
Welche Trends werden sich durchsetzen? Die Demokratisierung von Öffentlichkeit und damit die Herstellung von politischer Urteilskraft hängen auch vom Engagement kritischer Einzelpersonen, Initiativen und Bewegungen ab. Der diesem Anliegen gewidmete Kongress soll dafür einen Impuls geben. Aber nur ein längerer, vielgestaltiger, in vielen Foren stattfindender und von vielen Akteuren getragener Prozess wird die Dinge zum Besseren wenden können.
Alle Interessierten – AktivistInnen und Initiativen, politische Organisationen, Gewerkschaften und Fachverbände, Bildungseinrichtungen und Stiftungen, Medienschaffende und MedienwissenschaftlerInnen – sind daher aufgerufen, sich an der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses »Öffentlichkeit und Demokratie« und der ihn begleitenden Aktivitäten zu beteiligen.
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