Hier wäre von einem Film zu reden, wie ich einen größeren noch keinen sah. Ich würde gerne anfügen »und ich habe schon viele Filme gesehen«, aber im Vergleich zu anderen Menschen meines Jahrgangs wäre das mehr als gestrunzt, denn, noch einmal angemerkt, ich mag das Medium Film nicht besonders, würde es sogar verantwortlich machen für eine Vielzahl von Übeln, die augenblicklich das Antlitz der Erde prägen, aber Pakeezah... Der Reihe nach: Indien, Bollywood 1958. Der Regisseur Kamal Amrohi schneidert seiner dritten Frau, der Bollywoodqueen Meena Kumari einen Film auf den makellosen Leib: Eine romantische Liebesgeschichte um eine Mujra, eine Art indischer Geisha, besser gesagt Edelprostituierte, die inmitten der luxuriösen Welt der oberen Kasten von Uttar Pradesh ein reines Herz bewahrt, bis sie schließlich die Liebe ihres Lebens... Völlig uninteressanter Stoff also. Interessanter schon die vielen Hürden, die die Produktion von Pakeezah zu nehmen hatte: Amrohi und Meena Kumari trennten sich noch während der Dreharbeiten, der ursprüngliche männliche Hauptdarsteller Dharmendra mußte durch Raaj Kumar ersetzt werden, die Filmindustrie war im Umbruch durch das neue Format Cinemascope, das Amrohi durch spezielle Vorsatzlinsen auf seiner herkömmlichen 35mm–Kamera zu simulieren versuchte (was ihm gelang), die opulenten Kostüme und Dekorationen verschlangen das Mehrfache des kalkulierten Etats und Frau Kumari verfiel schließlich für die gesamten 60er Jahre dem Suff. Aber 1971, massiv gealtert, beschlossen sie und Amrohi frischversöhnt, den mehr als halbfertigen Film nach 13 Jahren zu Ende zu drehen. Sie war bereits ein körperliches Wrack, was man allenfalls ihrem Gesicht, nicht aber ihrer Präsenz anmerken kann, und starb wenige Wochen nach der Uraufführung des Films, der erst durch ihren in ganz Indien beweinten Tod die Beachtung fand, die ihm gebührt. Was ist nun das Einmalige an diesem Film? Gerade weil ich kein Kenner bin und das mein erster Bollywood–Schmachtstreifen ist, maße ich mir ein Urteil an, das vor saturierter Kennerschaft gefeit ist: Dieser Film, den man sich als eine zweieinhalbstündige indische Variante eines Hollywoodmusicals denken muß, schreckt vor keinem Bildklischee zurück, da fahren Züge in die Ferne, werden Vögel im Käfig gehalten, wird zu den grundlosesten Anlässen gesungen und getanzt, besonders problematisch, da Meena Kumari nicht einmal eine gute Tänzerin war, selbst ein Tanzkunsthasser wie ich bemerkt ihre Plumpheit im Vergleich zu den ihr stets kaschierend beigesellten Bajaderen, die Handlung ist sowieso ein einziger Scheiß, aber... aber... Mir fehlen immer noch die richtigen Worte, um das Mysterium auf den Punkt zu bringen, aber ich habe mir geschworen, wenn ich diesen Film das nächste Mal sehe - und das wird bald sein - so werde ich ihn im Stehen anschauen, soviel Respekt muß sein.
|