Schiefertafeln sauberschubbern, Griffel bereitlegen - heute gibt es wieder eine Lektion in ostfriesischer Heimatkunde. Es ist ein Landstrich, der weit mehr zu bieten hat als den gelb-rot geringelten Leuchtturm von Pilsum, unendliche Weiten, schwarzbunte Kühe, schief singende Shantychöre, angeblich leicht beschränkte Bewohner und den gelben Gumminerz, aus dessen Fell die berühmten Regenmäntel geschneidert werden. So gibt es allein zwei Kirchtürme in Ostfriesland, die sich um den Titel des schiefsten Turms der Welt streiten und den schiefen Turm von Pisa locker in die Regenmanteltasche stecken - In Suurhusen und Midlum. Der Midlumer Turm neigt sich fast doppelt so schief wie der berühmte Bruder aus Italien. Er ist aber auch nicht so hoch. Spannend ist in meiner Heimat aber vor allem die Namensgebung. Nicht nur, dass viele Dorfnamen wirken, als seien sie einem unveröffentlichten Asterix-Comic entsprungen: Bingum, Jemgum, Critzum, Ditzum, Hatzum, Midlum, Pogum, Logabirum, Loppersum... Ich mag auch die menschliche Namensgebung. Die funktioniert verblüffend einfach: Mach aus dem Nachnamen einen Vornamen und fertig. So gibt es Harm Harms, Sievert Sievers, Weert Weers, Renke Renken, Fokko Fokken, Okko Okken, Eemke Eemken... Das Beispiel aber, das heller strahlt als alle Leuchttürme der ostfriesischen Halbinsel zusammen, kommt aus der Nähe von Filsum. Dort gibt es ein winziges Fleckchen Erde namens Busboomsfehn (Busboom=Buchsbaum). In Busboomsfehn gibt es vor allem eine Straße - die Busboomsfehntjer Straße. An dieser Straße wohnen überwiegend Menschen, die naheliegenderweise Busboom mit Nachnamen heißen. Und wen nimmt es Wunder, dass es gar einen Menschen gibt, der sogar Busboom Busboom heißt? Es gibt also Busboom Busboom an der Busboomsfehntjer Straße in Busboomsfehn. Heutige Werbe-Agenturen würden das vielleicht »Corporate Design« nennen. Kann man sich gut merken. Ich mag meine Heimat...
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