Über das Leben
Über die Einsamkeit
von Osho ISBN: 3-453-87431-5
S:71
… Wir haben immer mit Menschen zusammen gelebt.
Von dem Augenblick an, in dem das Kind den Schoß der Mutter verlässt, ist es nie mehr alleine- es ist mit der Mutter zusammen, mit der Familie und Freunden.
Und je mehr Menschen sich in deinem Umkreis befinden desto reicher kommt es dir vor.
Wenn man nun anfängt, nach innen zu gehen, verschwinden all dieser Gesichter, löst sich die Menschenmenge auf.
Doch irgend wann muss man sich von allen verabschieden, selbst vom besten Freund, selbst vom der Geliebten muss man Abschied nehmen.
Es kommt ein Punkt, an dem selbst dein Geliebter, deine Geliebte nicht mehr bei dir sein kann. Das ist der Augenblick, in dem du jenen Raum betrittst, in dem du dich im Schoß deiner Mutter befunden hast.
Doch damals hast du die Menschenmenge noch nicht gekannt, deshalb hast du dich nicht alleine gefühlt. Das Kind war vollkommen glücklich im Schoß der Mutter, weil es keinen Vergleich hatte, - alles war reine Freude.
Weil es nie irgendwelche anderen Menschen gekannt hatt, konnte es sich nicht einsam oder alleine fühlen – hatte keine Vorstellung davon. Es lebte in der einzigen Realität, die es kannte.
Doch nun kennst du die Menge, kennst Beziehungen, kennst die Freuden und Leiden von Beziehungen, kennst beide Seiten – und beide sind da.
Wenn du jetzt wieder nach innen gehst, beginnt die Welt zu verschwinden, wird wie ein Echo, und bald ist selbst das Echo verschwunden, und du glaubst vollkommen verloren zu sein.
Doch das ist nur eine Interpretation!
Wenn du dann nur noch ein bischen mehr nach innen gehst, wirst du plötzlich dich selber finden – und wirst damit dich zum ersten Mal finden.
Dann wirst du überrascht feststellen: In der Menschenmenge warst du verloren, - jetzt bist du nicht mehr verloren. Im Dschungel der Menschenmenge hast du dich verloren, doch jetzt bist du zu Hause angekommen. Dann kannst du wieder in die Welt hinaus gehen und wirst ein vollkommen anderer Mensch sein.
Du wirst mit anderen in Beziehung treten, doch du wirst nicht abhängig von ihnen sein.
Du wirst lieben, ohne besitzen zu müssen; du wirst lieben, ohne eifersüchtig zu sein. Und wenn die Liebe ohne Eifersucht ist, ohne Besitzstreben, ist sie göttlich.
Du wirst mit anderen Menschen zusammen sein. Tatsächlich kannst du erst jetzt wirklich mit anderen Menschen zusammen sein, weil du jetzt bist; jetzt kannst du auch mit anderen sein.
Zuerst warst du überhaupt nicht, sodass die Vorstellung mit anderen zusammen zu sein, nur eine Illusion war, eine Art Traum.
Solange du nicht bist, wie könntest du dich als da bezeichnen?
Es ist eine Fiktion, die wir uns da erschaffen; es ist eine Täuschung.
Solange du nicht zentriert bist, solange du nicht weißt wer du bist, kannst du nicht wirklich in Beziehung treten.
Eine Beziehung ohne Selbsterkenntnis ist nur eine Illusionsbeziehung.
Der andre denkt, er ist mit dir in Beziehung, du denkst du bist mit ihm in Beziehung; doch weder kennst du dich selbst, noch kennt der andere sich selbst. Wer ist also hier in Beziehung mit wem? Da ist überhaupt niemand! Nur zwei Schatten, die ein Spiel miteinander spielen.
Und weil beide Schatten sind, hat die Beziehung keine Substanz.
Das ist es was ich ständig beobachte: Die Menschen treten in Beziehung miteinander, doch es ist nichts Substanzielles vorhanden. Sie treten in Beziehung, weil sie Angst haben, dass sie sich einsam und verloren fühlen, wenn sie nicht in Beziehung sind; also laufen sie los und stürzen sich in Beziehung. Jede Art von Beziehung ist besser als keine Beziehung; selbst wenn es sich um Feindschaft handelt, ist es in Ordnung; man fühlt sich wenigstens beschäftigt.
Eure Liebe ist nichts anderes als eine Art Feindschaft, eine höfliche Art, zu kämpfen, zu streiten, zu kritisieren, zu dominieren, eine zivilisierte Art sich gegenseitig zu quälen.
Man muss sich also zuerst in diesen Raum begeben.
Fasst Mut und geht hinein. Selbst wenn es sich sehr traurig und einsam anfühlt, gibt es nichts, worüber ihr euch beunruhigen müsstet; diesen Preis muss man einfach bezahlen.
Und sobald ihr die Quelle erreicht habt wird sich das Ganze vollkommen verändern, und ihr werdet als Individuum daraus hervorkommen.
Das ist der Unterschied, den ich zwischen einem Individuum und einer Person mache: Die Person ist ein unechtes Phänomen, das Individuum ist real. Personen, Persönlichkeiten, sind Masken, sind Schatten; Individualität besitzt Substanz, besitzt Realität. Und nur Individuen können ernsthaft in Beziehung treten, können lieben – Personen können nur spielen.
Bezogenheit statt Beziehung
Liebe ist ein Bewusstseinszustand, in dem man voller Freude ist, bei dem das ganze Wesen tanzt!
Etwas beginnt zu vibrieren, etwas beginnt vom inneren Zentrum nach außen zu strahlen, etwas beginnt rundherum zu pulsieren. Es beginnt andere Menschen zu erreichen: Es kann Frauen erreichen, es kann Männer erreichen, es kann auch Steine und Bäume und Sterne erreichen.
Wenn ich von Liebe spreche, spreche ich immer von dieser Art von Liebe; eine Liebe, die keine Beziehung, sondern ein Seinszustand ist. Denkt immer daran: Wenn ich das Wort Liebe gebrauche, meine ich es als Seinszustand, nicht als Beziehung. Beziehung nur ein ganz kleiner Aspekt davon. Doch eure Vorstellung von Liebe beschränkt sich im Grunde immer auf Beziehung, als ob das alles wäre.
Beziehungen braucht es nur, weil ihr nicht alleine sein könnt, weil ihr nicht fähig seit zu meditieren. Daher ist Meditation ein Muss, bevor ihr wirklich lieben könnt.
Man soll fähig sein alleine zu sein, vollkommen allein und doch vollkommen glückselig. Dann kann man lieben. Dann ist Lieb kein Bedürfnis mehr, sondern ein Teilen, dann ist sie keine Notwenigkeit mehr, Dann ist man nicht mehr von Menschen abhängig, die man liebt. Dann teilt man mit anderen – und Teilen ist etwas wunderbares!
Doch was gewöhnlich in der Welt geschieht, ist Folgendes:
Du selbst trägst keine Liebe in dir; der Mensch, von dem du glaubst, dass du ihn liebst trägt ebenfalls keine Liebe in sich, doch beide wollt ihr Liebe voneinander. Zwei Bettler, die sich gegenseitig anbetteln!
Daher der Kampf , der Konflikt, der ständige Streit zwischen Liebenden – um Kleinigkeiten, um unbedeutende Dinge, um idiotische Dinge! Doch sie streiten immer weiter.
Der grundlegendste Streit ist der Mann der Ansicht ist, dass er nicht bekommt worauf er ein Recht hat, und die Frau ebenfalls der Ansicht ist, dass sie nicht bekommt worauf sie ein Recht hat. Die Frau denkt, dass sie betrogen wurde, und der Mann denkt ebenfalls, dass er betrogen wurde. Wo bleibt da die Liebe? Keiner bemüht sich zu geben, jeder möchte nur bekommen!
Und wenn jeder nur bekommen möchte, bekommt keiner etwas, und jeder fühlt einen Verlust, fühlt sich leer und angespannt.
Die fundamentale Grundlage fehlt, - ihr habt den Tempel ohne Fundament erbaut.
Er kann jeden Moment einstürzen und zusammenbrechen. Und ihr wisst wie oft eure Liebe schon eingebrochen ist, und doch macht ihr immer und immer wieder dasselbe.
Ihr lebt in solcher Unbewusstheit!
Ihr seht einfach nicht was ihr aus eurem eigenen Leben und dem Leben anderer gemacht habt.
Ihr wiederholt immer wieder mechanisch, wie ein Roboter, das alte Muster, obwohl ihr genau wisst, was das Ergebnis war, und im tiefsten Inneren wisst ihr auch, dass es wieder ganz genau so ablaufen wird.
Wenn es etwas gibt, das ihr aus euerm Versagen in der Liebe lernen könnt, so ist es, bewusster zu werden, meditativer zu werden. Und mit Meditation meine ich die Fähigkeit, alleine glücklich zu sein. Nur sehr wenige Menschen sind fähig völlig grundlos glücklich zu sein – einfach nur still und glücklich dasitzen. Andere würden sie für verrückt halten, denn die allgemeine Vorstellung von Glück ist, dass es von jemand anderen kommen muss.
Man trifft eine schöne Frau und ist glücklich. Doch wenn man still in einem Zimmer sitzt und vollkommen selig ist, - vollkommen abgehoben vor Seligkeit?
Der muss doch verrückt sein! Die Leute werden argwöhnen dass er unter Drogen steht ode irgend so was.
Ja, Meditation ist das ultimative LSD! Sie setzt eure eigenen psychedelischen Kräfte frei. Sie setzt Strahlen frei, die in euch eingeschlossen sind. Und dann seit ihr so voller Freude, so viel Freude steigt in eurem Wesen auf, dass ihr keine Beziehung mehr braucht. Und doch könnt ihr weiter auf andere Menschen bezogen sein...
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