Moderner Pindar stößt auf Gleichgültigkeit in Sydney
- Von Paul Holmes -
Sydney (Reuters) - Pindar, der Olympiapoet der griechischen Antike, würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, wie das australische Olympia-Organisationskomitee (SOCOG) mit seinem Nachfolger umgeht. Denn dem offiziell als Olympischer Dichter auserkorene Mark O'Connor wurde das Recht verwehrt, bei der Eröffnungsfeier am vergangenen Freitag in Sydney ein Gedicht vorzutragen. Dass er auch keinen Lorbeerkranz erhält, sei da nur am Rande erwähnt. Zu allem Ärger könne er die Spiele nicht einmal live verfolgen, weil sich die SOCOG beharrlich weigere, ihn wenigstens als Journalisten zu akkreditieren, berichtete der verschmähte Poet am Donnerstag in Sydney.
Der Australische Rat hat O'Connor die Aufgabe zugedacht, die »tiefere Bedeutung« Olympias poetisch zu ergründen. Dafür habe er 22.000 Dollar (50.600 Mark) erhalten, erzählte der 55-Jährige auf einer Pressekonferenz abseits vom olympischen Medienrummel. »Ich habe das Gefühl, dass das alles anders hätte kommen können, wenn im SOCOG auch nur eine halbwegs gebildete Person säße«, sagte O'Connor.
Aber trotz aller Steine, die ihm von offiziellen Stellen in den Weg gelegt werden, gibt sich der Künstler unverdrießlich. Immerhin ist er auf der Suche nach dem Geist von Olympia schon dem traditionellen Fackellauf über 20.000 Kilometer quer durch Australien gefolgt. Eigens dafür habe er sich ein Auto mit Vierrad-Antrieb zulegen müssen, sagte O'Connor, einer der führenden australischen Lyriker.
Offensichtlich von der Sorge getrieben, als gewöhnlicher Fernseh-Zuschauer könnte der Dichter von der Muse im Stich gelassen werden, haben staatliche Stellen, aber auch einige Bürger O'Connor Tickets zukommen lassen. Das SOCOG selbst gibt an, über das Projekt vom Australischen Rat nicht informiert worden zu sein. Als Journalist könne O'Connor nicht akkreditiert werden, weil er eben Dichter sei, sagte SOCOG-Sprecher Martin Cockburn. »Mark scheint zu denken, dass ihn die poetische Inspiration nur auf einem akkreditierten Presseplatz überkommt.« Dabei könne sich der Dichter doch von seinem Preisgeld Eintrittskarten kaufen, meinte Cockburn - unbeeindruckt von dem Aufsehen um O'Connor.
Die Idee, die Olympische Dichtung wieder zum Leben zu erwecken, sei ihm 1991 auf einer Konferenz in Athen gekommen, erzählte O'Connor. Schließlich stamme fast das gesamte Wissen über die antiken Spiele aus den fast 2600 Jahre alten Fragmenten der Dichtungen Pindars. Aus den gut zwei Wochen in Sydney wolle er »ein ziemlich umfangreiches poetisches Werk über Sport verfassen«, sagte O'Connor zu den sieben Journalisten, die aus der Schar der 21.000 Medienvertreter erschienen waren.
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