In meinem Besitz befindet sich eine alte Postkarte mit einem Bild des unheiligen »Haus Wachenfeld«, die ich in einem antiquarisch erworbenen Buch fand. Sie hat folgendem Text:
Berchtesgaden, 4. Aug. 1936
Lieber Ernst!
Zu unseren Sommerferien weilen wir hier zur Erholung in der guten Bergluft. Leider läßt das Wetter viel zu wünschen übrig. Vorige Woche erlebten wir zum erstenmal den Führer. Auf dem Obersalzberg durften wir vor Haus Wachenfeld ganz nahe an ihm vorbeidefilieren. Hoffentlich geht es Dir u. Erna gut. Wir grüßen Euch herzlichst als
Eure
alten Hedwig und Arthur.
Nun ist diese Karte zwar ein Zeitdokument und mancher Vernagelte würde mir vielleicht auch die eine oder andere Münze für die guterhaltene Abbildung des späteren 'Berghofs' zahlen, aber Guido–Knopp–verdächtig wird sie dadurch natürlich noch nicht. Amüsant jedoch finde ich, daß ich sie in Band II der drei Bände der 'Reden Gotamo Buddhos' in der Karl Eugen Neumann–Übersetzung, 3. Auflage 1929 gefunden habe. Auch dies nimmt nicht groß wunder, zum einen mag der Empfänger der Karte ein Buddha–Devotee gewesen sein, der für seine braunbegeisterten Freunde nichts konnte, zum anderen ist eine gewisse Verzahnung zwischen Nazis und Buddhisten nicht nur über Heinrich Harrer und die Ariosophen hinlänglich bekannt. Irgendwie passend jedoch finde ich es, daß sich diese Karte zwischen den Seiten 320 und 321 befand, wo ich mit sorgfältigem Bleistift (alle drei Bände scheint ihr Besitzer durchgearbeitet zu haben) folgende Stelle markiert finde:
»Nicht gibt es, Vaccho, nur etwa hundert oder zweihundert oder dreihundert oder vierhundert oder fünfhundert sondern noch mehr der Anhänger, die als meine Jünger, im Hause lebend, weiß gekleidet, keusch entsagend, nach Vernichtung der fünf niederzerrenden Fesseln emporsteigen, um von dort aus zu erlöschen, nicht mehr zurückzukehren nach jener Welt.«
Das mit der weißen Kleidung hat ja nicht so hingehauen, doch der Wunsch nach Vernichtung und Erlöschen ist den Obersalzbergpilgern in reichem Maße erfüllt worden.
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