Neulich beklagte sich beim Frühstück mein elfjähriger Sprößling über meinen normalerweise gut sortierten Küchenschrank-Inhalt:»Was ist'n das für'n Haushalt, du hast ja noch nicht mal Nutella da!« - Ich entsann mich dunkel, vor dreißig Jahren selbst öfters darauf bestanden zu haben, bräunliche Klebe auf meinen Toasts vorzufinden. Später hatte ich mir den Konsum fester Nahrung zum Frühstück vollkommen zugunsten größerer Mengen tiefschwarzen Kaffees abgewöhnt, und dieser Gewohnheit fiel auch jede Form süßen Brotaufstrichs zum Opfer.
Mein Sohn brachte mich also dazu, ein »Jubiläums-Glas 40 g extra« braunen Schmadder zu erwerben. Ausgestattet mit einem Stempel »Qualitätskontrolle« des renommierten Fresenius-Instituts und einem Etikettaufdruck, der geeignet ist, Winzer vom Schlage eines Monsieur de Rothschild vor Neid erblassen zu lassen: »Sonnengereifte Hochland-Haselnüsse ... vollaromatischer Kakao ... einzigartigen Geschmack ... besondere Qualität ... dankeschön«.
Das einzigartige Geschmackserlebnis, das mich beim ersten Verkosten dieses Grand Cru de Noisette-Nougat überkam: Klebrig-süß. Aroma: Süßlich. Bouquet: Zähneziehend süß. Nachgeschmack: Wie eine Mischung aus Saccharose, Distearinsäure-Palmitinsäure-Glycerintriester (Fett) und 2,4-Dimethyl-5-venylthiazol (Nuß-Aroma) sowie 2-Hydroxy-5-aldyl-phenylmethyläther (Vanillin, künstl.). Ein fettig-leimig-süßlicher Dunst mit einer entfernt an Persipan erinnernden Komponente kriecht nach dem Hinunterschlucken aus dem Speiseröhrenansatz zurück in den Nasen-Rachenraum und paralysiert sämtliche Papillen in Reichweite.
Einem Großteil der unter diesem Stichwort publizierten Assoziationenen ist zu entnehmen, daß der für Laien wie mich unappetitlich aussehende Absud zu allem Überdruß auch noch Sucht erzeugt. Nun läßt sich über Geschmäcker nicht streiten, erst recht nicht mit psychisch abhängigen Nutellisten, wenn man vermeiden will, einem Kalorienbombenanschlag zum Opfer zu fallen.
Im Folgenden deshalb Fakten, Fakten, Fakten...
Gemäß dem Motto, daß nur das draufsteht, was drin ist - hier ein Blick auf die Zutatenliste:
»Zucker, pflanzliches Öl, Haselnüsse, fettarmer Kakao, 7,5% Magermilchpulver, Emulgator Lecithin, Vanillin.«
Also eine brennwertreduzierte Paste aus »fettarmem Kakao« und »MAGERmilchpulver«? - Mitnichten. Wer hundert Gramm ißt, verputzt dreißig Gramm reines FETT. Weitere 54 Gramm entfallen auf »Kohlenhydrate« - hier findet sich der Hauptbestandteil ZUCKER wieder sowie ein bißchen Stärke aus zu Schlamm zerquetschten Haselnüssen. Die Restmasse von 16 Gramm besteht tatsächlich aus 7 Gramm Eiweiß (ist in Nüssen und im Milchpulver) sowie etwas Wasser und Lecithin (ein den Fetten sehr ähnlicher Phosphorsäureester, der dazu dient, die Bildung von Ölpfützen an der Oberfläche der Schmiere so lange wie eben möglich zu vermeiden).
Läppische 100 g (weniger als ¼ des 440 g leichten Extra-Jubiläums-Glas-Inhalts) bringen es auf 2.147 kJ bzw. 514 kcal Brennwert. Der Energieinhalt eines Jubiläumsglases reicht aus, um einen mittelgroßen Afrikanischen Elefantenbullen (6t Lebendgewicht) bei Windstille von Meereshöhe auf einen 160,5 m hohen Berg zu befördern oder ein Nutella-Jubiläums-Glas in einen 1500 km hohen Orbit um einen atmosphärelosen Planeten von Erdschwere zu schießen. Leider läßt sich die dem Nutella innewohnende Energie nicht schnell genug mobilisieren, um das Glas auf die hierfür nötige Fluchtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Eher vergrößert der schwerverdauliche Fettanteil den Ballast des Konsumentenkörpers, sofern dieser nicht regelmäßig Elefanten durch die Gegend schleppt.
Ein Tip für den Hersteller: Zumindest eins Ihrer Produkte bieten Sie zur Schonung der Gesundheit Ihrer Kunden nicht das ganze Jahr über an. Es handelt sich um in einer harttalgähnlichen Fett-Zucker-Mischung gekapselte klebrig-harzige, in tranigem Fusel schwimmende Klümpchen organischer Substanz angeblich pflanzlichen Ursprungs mit dem Namen »Mein Teuerster«. Da böte sich doch für den Zuckerfettkleister namens »Nutella« folgende Lösung an:
»Liebe treue Kundschaft! Aus Gründen der Qualitätssicherung geht unser betagtes «nutella» ab heute in die endgültige und wohlverdiente Ganzjahrespause. Die freiwerdende Produktionskapazität wird zur Herstellung der allseits beliebten Megajoule-Granaten 'Rocher' und 'Raffaello' genutzt. Ihre Ferrero AG, Frankfurt«. Dann hätten wir was zum Knuspern!
(von mir 2001 in www.dooyoo.de gepostet)
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