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MiaValo schrieb am 16.6. 2003 um 21:51:39 Uhr über

Nosferatu

Ich hab ein Date um Mitternacht
mit Nosferrratu. Er wartet schon auf mich, in seiner mit Flohmarktmöbeln und leeren Bierkästen vollgestellten Einzimmerwohnung und blickt mich aus triefenden Hundeaugen an.
Das beeindruckendst an ihm sind sicherlich seine langen, schwarzen Haare und seine sehr gepflegten Fangzähne. Keine Ahnung, warum die Frauen ansonsten so scharf auf ihn sind, es ist wahrscheinlich wegen diesem ganzen tiefschürfenden romantischen Für-immer-Gesülze, das er jeder dahergelaufenen Gruftischlampe erzählt, die gelangweilt genug ist, ihre Zeit mit ihm zu verbringen.
Ein wenig von diesem esoterischen Müll, und jede ist eingelullt von seiner hypnotischen Stimme und vögelt schließlich mit ihm und setzt der Sache so ein Ende.
In der Regel ist nach dem ersten Sex Schluss, den Nosferatu ist ein typisches Beispiel für eine Form ohne Inhalt.
Er sieht aus wie jemand, der dich genau richtig fesselt. Wie einer, der dich eine Hure nennt, während er dich langsam durchvögelt.
Aber das ganze ist eine furchtbare Scharade. Nosferatu ist unter seinem ganzen gestylten Fürst-der-Dunkelheit-Hülle ein mieser Liebhaber.
Er vögelt ausschließlich sich selbst. Für mehr hat er keine Energie.
Ich gehe nur zu ihm, um, nun ja, kennst du den Drang, eine gerade frisch verschorfte Wunde aufzukratzen, obwohl es ein bißchen wehtut und du weißt, dass du das lieber lassen solltest?
Genauso fühlt sich Nosferatu für mich an. Wie die kleine, eklige Wunde an meinem Knie, die ich immer wieder aufkratzen muss.

Ich bin also gerade in seinem Zimmer angekommen, in dem er sich schon seit sieben Jahren fast ausschließlich aufhält. er geht nur raus, um Zigaretten und FastFood zu kaufen. Wo er sein Geld und seine Weibsstücke herholt, ist ein großes Geheimnis.
Nosferatu nennt mich Cherie, weil er denkt, dass ihm das so eine Art Gentleman-Aura verleiht, aber gleich danach beschwert er sich über meine Schuhe. Sind ihm nicht FEMININ genug.
Ich würge das Gespräch ab und komme gleich zum Wesentlichen. Sein Körper ist zugegeben sehr attraktiv, er hat viel Zeit, stundenlang täglich zu trainieren. Warum er das tut, weiß ich allerdings auch: Er möchte ja so gerne männlich sein, aber seine kleine verkrüppelte Seele sagt ihm, dass er ein armes WÜrstchen ist und kein Mann. Viele enttäuschte Frauen und dazu seine Mutter bestätigen das. Und so ist das einzige was ihm bleibt, ein gestählter Oberkörper.

Ich trage dick auf, ziehe meinen Rock langsam vor ihm hoch, um ihm zu zeigen, dass ich keine Unterwäsche trage. Meine Beine sind in halterlose Strümpfe gepackt. Darauf steht er.
Er ist kein Freund großer Vorspielchen. Ich genieße den einzigen wirklich erregenden Moment während des Sex mit Nosferatu; Wenn seine Haare über meine nackte Haut streichen und er seine Zähne vampirhaft in meinen Hals gräbt. Ich weiß, es ist ein Klischee, aber es gefällt mir sehr.

Danach liegt er grunzend neben mir und versinkt schon bald in Schlaf. Ich stehe leise auf und ziehe mich an. ich gehe zum Telefon und wähle sorgfältig eine Nummer. Ich warte, bis das Klingelzeichen ertönt, ich lasse es einmal klingeln, dann lege ich auf.

Ein kurzer Blick auf Nosferatu beruhigt mich; er ist nackt, erschöpft und vollkommen wehrlos.
Schon höre ich schwere Schritte im Treppenhaus hinaufkommen. Ich gehe zur Haustür und öffne sie.
Zwei befreundete Kleiderschränke, ihres Zeichens Fitnessclubbesitzer und Schwulenbartürsteher, die mir noch Gefallen schulden, erstürmen die Wohnung und lassen sich von mir die Ruhestätte des Würmchens zeigen.
Es ist einfacher, als erwartet; Nosferatu sinkt übergangslos vom postkoitalen Schlaf in eine weiche Wolke aus Chloroform, die ihm von Peter unter die weiße Nase gehalten wird.
Zwei Minuten später sitzen wir im Auto Richtung Süden. Ich bin mit Nosferatu auf dem Rücksitz dafür verantwortlich, seine Ohnmacht ständig aufrecht zu erhalten, damit er nicht laut und zeternd die angenehme Autofahrt durcheinanderbringt.

Einige Stunden später liegt Nosferatu auf einer mediterran gestalteten Terassenliege und atmet schlürfend, als er langsam zu sich kommt. Die Sonne geht sehr schnell auf und ist schon bald sehr hell, wovon Nosferatu unangenehm berührt seiner Ohnmacht entsteigt.
Sobald er seine wirren Gedanken gesammt hat, versucht er zu erfassen, wo er ist. Angesichts der Tatsache, dass er sich unter freiem Himmel befindet, stößt er einen zeternden Wutlaut aus und versucht panisch aufzuspringen. Er hat nicht damit gerechnet, an Füßen und Händen an den stilvollen Kiefernholzliegestuhl gefesselt zu sein.
Was folgt, ist eine mehrere Stunden andauernde Wut - und Kreischorgie, die einen Energieaufwand erfordert, den ich Nosferatu gar nicht zugetraut hätte. Er verflucht den Himmel, die grelle gemeine Sonne über ihm, die ihm seine zarte Haut verbrenne, den stinkenden Rosenduft, die Hitze, das Meeresrauschen, das ihn ganz wild im Kopf mache...! In erster Linie verflucht und verwünscht er mich mit den niederträchtigsten Beschimpfungen, die ihm einfallen.
Wie ein Rohrspatz zetert er von meiner himmelschreienden Bösartigkeit, wie ich es wagen konnte, in nach unserer »LIEBE« einfach zu entführen und seinem sicheren kleinen Zimmer zu entreißen, seine Therapie der letzten Monate sei vollkommen nichtig, er werde mich anzeigen, er werde mich verfluchen, und verfolgen bis ich mir den Tod wüschte! Sobald er erst auf diesen Fesseln loskäme, werde ich mich ja wundern, er werde sofort Mittel und Wege einleiten, mich ins Kittchen zu verfrachten...und und ...
Nach ein paar Stunden ist er ermüdet und seine Stimme ist nur noch ein klägliches Krächzen.
Die Stimmung ist wundervoll, die Sonne scheint in ihrer vollen Pracht vom blauen Himmel herab, das Meer rauscht liebreizend, Mulis klappern übers Kopfsteinpflaster unten auf dem Weg.
Nosferatu liegt schwer atmend mit grimmig verzerrten Zügen auf dem Lehnstuhl und versucht, seine Äuglein vor der Sonne zu schützen.
Er wimmert. Langsam färbt sich seine bleiche Haut in einem allerersten lachsfarbenen Rosa.
Es ist erfrischend, eine Kreatur der Dunkelheit und der Verbitterung nach so langer Isolation ans Tageslicht kriechen zu sehen. Auch wenn man sie zu ihren Glück erst zwingen muss.







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