Sehr geehrter Dr. Toschibar,
gestatten Sie mir erneut, einige Fragen an Sie zu richten. Ich beziehe mich auf meine Recherchen über das Gebiet der Hiphopkultur. Glücklicherweise habe ich in unmittelbarer Nachbarschaft eines unserer Mietobjekte eine Jugendbedarfshandlung gefunden, die mich mit einem Einsteigerlehrgang ausgestattet hat, wobei mir zuvor auch hilfreiche Winke anderer Blasterinsassen gangbare Wege aufgezeigt haben. Die noch sehr jungen Männer in der Jugendbedarfshandlung nun, deren knabenhafte und wie ich vermute durch die erforderte Alertheit des Sprayerhobbies elastisch dynamisierte Körper nicht unter übertrieben weiter Kleidung verborgen sind, eher scheint eine große Präferenz für enganliegende Trainingsjacken zu bestehen, diese jungen Herrlein mögen mich inzwischen kennen, wenn ich, gelegentlich am Ende eines Einkaufsgangs mit Tüten bepackt hereinächze und mehrenteils nach battleorientiertem Deutsch– und Türkrap frage. Sie mögen mich für einen onkelhaften Kauz halten, der danach in seinem sehr unpimpen Auto davonfährt, neue Erzeugnisse von Frauenarzt oder Taktloss 'auscheckend', wie man in diesen Kreisen zu sagen pflegt.
Wie sie sehen, verehrter Herr Toschibar, habe ich mir das Metier also begonnen, selbständig zu erarbeiten und beabsichtige im nächsten Monat im Rahmen einer kleinen Karnevalsfeier meines örtlichen Kegelvereins 'Roter König' die Cypher zu betreten. Bitte erhellen Sie doch bis dahin einige meiner nach wie vor unbeleuchteten Bildungsecken:
a) Styles, Skills, Flows und Beats habe ich inzwischen einigermaßen zu unterscheiden gelernt - was aber ist der flavour? Ist der sozusagen Natur - x, oder ist die Summe aller Skills verschiedener Flows bereits einem 'Flava' angenähert?
b) Was genau ist eigentlich die Cypher, in der gebattlet wird? Eine Art abstrakter Raum, ein Beschimpfungsholodeck vielleicht? Oder ganz konkret die Tanzböden, auf denen die jungen Musiker auftreten? Abgesehen von einem kurzen Eindruck eines sogenannten Beatbox-Konzertes, zu welchem Sie die Freundlichkeit hatten, mich auf einem meiner wenigen so genossenen Freigänge zu führen, sind mir solche Lokalitäten aufgrund meines Zustandes selbstredend verschlossen. Wenn ich die Cypher betreten will, welche Rolle spielt mein Schuhwerk?
c) Ein guter Freund, auch ansonsten nicht gänzlich unvertraut mit den nächtlichen Seiten des Lebens, riet mir unlängst, meine Beschränkung auf rein deutsches Battle-Liedgut aufzugeben und mich verstärkt der afroamerikanischen Szene zuzuwenden. Ich bin sehr unsicher. Besteht die Gefahr des hängenbleibens? Ab wieviel CD's eines 50Cent muß ich vor Grenzübertritten mein Auto aufräumen? Müßte ich zu meinem hervorragenden Webster von 1985, dem Partridge-Slang-Lexikon der 70er Jahre und meinem geliebt–skurrilen dreibändigen Flügel von 188und ein weiteres Übersetzungshandbuch hinzugesellen? Oder gibt es traduktorische wie auch hermeneutische Anlaufstellen im Internet?
d) Und eine letzte Frage noch, teurer Ratgeber, die zu stellen mir fast ein wenig unangenehm ist und es auch nur diesem gänzlich vertraulichen Charakters unseres Gespräches geschuldet ist, daß ich mich erfreche, ihre kostbare Zeit für dieses letzte zu beanspruchen: Unglückseligerweise habe ich mich vor einiger Zeit verleiten lassen, meine rudimentären Kenntnisse zu überschätzen und in unserer Geflügelzuchtverbandszeitschrift einige, im Grunde eher launig verstandene hexazyklische Punchlines in prosodischem Skill über einen illen Style gerappt. Ich griff dazu das verbandsintern vieldiskutierte Thema der Hennenverpilzung bei Stallübersäuerung auf und versuchte, es mit einigen privater gehaltenen Villanellen aufzupeppen, sagt man noch so? Jedenfalls kamen von Seiten einiger Verbandsmitglieder ziemlich üble Redisse, die zu rebattlen wiederum jedoch erst im nächsten Teil des aktuellen Juice–Lehrgangs besprochen wird. Meine Frage ist: Bin ich jetzt totgefickt? Ich habe das einmal im Falle eines Berliner MC's mitverfolgen können und scheue sehr vor diesem poehaften Gedanken zurück. Nein, niemals enden wie Fler...
Besorgt auf Antwort hoffend
Ihr
mcnep
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