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Bettina Bleistift, am 8.10. 2005 um 09:45:37 Uhr
Niedergeschlagen

Zu jedem Risiko bereit - Zeugnis eines bewaffneten Lebens
Shmuel Rons Chronik vom j�dischen Widerstand in Polen
Von Jamal Tuschick
Besprochene B�cher ...

Der Vater las die »Frankfurter Zeitung«. Bis zum nachdr�cklichsten Beweis des Gegenteils glaubte er an die Immunit�t des deutschen Geistes gegen das Nazigift. Die Mutter sp�rte j�dische Themen in Beethovens Sonaten auf. Gewisse Ma�nahmen einer Kulturnation �berstanden beide nicht. »Zum Leben verurteilt« wurde der Sohn, Samuel Rosencwajg, der seit seiner Einwanderung in Israel 1948 Shmuel Ron heit. Ron stammt aus Katowice. Dort erlebte er 1939 das Ende der Freundschaften mit polnischen Nachbarn. In seinen nun auch auf Deutsch vorliegenden Erinnerungen - dem vehementen Zeugnis eines bewaffneten Lebens -, illustriert Ron die Z�sur mit einem Prospekt fr�her Verheerungen. In dieser Zeit, als die Verfolgungen, deren Systematik sich den (potentiellen) Opfern hinter Willk�rvermutungen verbarg, noch �berschaubar waren, entwickelte Ron seine »Antennen« frs �berleben in der Illegalit�t. Seine Entscheidungen traf er in Opposition zur Duldsamkeit der Eltern: »Ich konnte mir nicht vorstellen, daich eine Haltung der Passivit�t und Ohnmacht einnehmen w�rde«. Die t�dliche Depression der �lteren erschien ihm »w�rdelos«. 1940 schlo� er sich dem Widerstand an, weil er »kein unt�tiger Zeuge all der Verbrechen« rings um ihn herum sein wollte.

Mit ihm, der sich durch die F�lschung von Dokumenten fr Expertenarbeit qualifizierte, schoben sich vor allem junge Menschen an die Spitze des j�dischen Untergrunds. Ein Gef�hl der Zusammengeh�rigkeit leitete sie, das die Mitglieder der j�dischen Jugendbewegungen vom Rest der Verfolgten trennte. Die Aktivisten verstanden sich als »Avantgarde« im doppelten Sinn: Gern h�tten sie die Speerspitze einer j�dischen Armee gebildet, w�hrend sie gleichzeitig versuchten, »die Welt wachzur�tteln« - mit niederschmetternden Ergebnissen. Shmuel Rons Widerstandschronik versteht sich insofern auch Abrechnung mit der lethargischen �ffentlichkeit. Den Menschen in der freien Welt, zumal den Juden in Pal�stina, macht Ron den Vorwurf, sich nicht im gebotenen Maengagiert und ihre einschl�gigen Unterlassungen nach Kriegsende tabuisiert zu haben.

Das K�mpferkollektiv enschied, wer mit falschen Papieren ausreisen durfte bzw. sollte, um als Sprachrohr der Zur�ckgebliebenen zu wirken. Anschaulich teilt sich in Rons Bericht denn auch der desperate Eifer von Aktivisten mit, die ihre adoleszente Energie in einem bombastisch ungleichen Kampf verbrauchten. So berichtet Ron etwa vom Antisemitismus im polnischen Widerstand. Ja selbst vom Judenrat wurden die j�dischen Freisch�rler verfolgt: denn die irrlichternden Aktionen der Kombattanten gef�hrdeten die Arrangements mit dem Usurpator. Einmal griffen j�dische Ghetto-Polizisten Ron auf, der jedoch meist auf der »arischen« Seite unterwegs war. Von Fall zu Fall gab er sich dort als Pole oder Deutscher aus. Er n�chtigte in �berf�llten Erdbunkern, in einem Haus der NSDAP gew�hrte ihm eine volksdeutsche Schnapsbrennerin Zuflucht.

Nach dem Vorbild des Aufstands im Warschauer Ghetto sollte auch anderenorts gek�mpft werden, so daRon von Ghetto zu Ghetto wanderte. Er sah Menschen, die sich in Kl�rgruben verbargen, eine Mutter, die ihren S�ugling ins Wasser warf, um ihm das Weitere auf dem Weg in die Vernichtung zu ersparen. Mehrmals entging er nach Verhaftungen nur knapp der Deportation. Eine Zyankalikapsel war sein wertvollster Besitz, den er schlie�lich seiner Schwester abtrat. Einmal rettete ihn der Umstand, daer zur Schreinerei begabt ist, ein anderes Mal marschierte er - als deutscher Arbeiter »verkleidet« - mit einem schlichten »Heil Hitler« an den Wachen vorbei aus einem Ghetto. Zum �blen Schlu� geriet er doch nach Auschwitz, sowie nach Mauthausen, wo er das Ende des Nazireichs erwartete. Die Emp�rung hat Ron nie verlassen. Er ist, wie sein Bericht aus den Jahren des Widerstands, ohne Trost.


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