"Die rituellen Prügel erscheinen mir als die 'geschlechtlichste' Foltermaßnahme von allen, die am meisten phallische. Der Geschlagene wird zu einer Art 'negativem' Koitus gezwungen. Der Rhythmus der Schläge imitiert am besten die Stöße des Koitus; das Schreien der Geschlagenen die Erregungskurve: 'Höhepunkt' und Erschlaffen. Daß er mitzählen muß, erinnert stark an die (zu meiner Schulzeit unter Gymnasiasten noch sehr verbreitete) Theorie, der Orgasmus nach einer bestimmten Anzahl von Stößen wäre der optimalste. (Manche Männer zählen die Stöße tatsächlich und streben Rekorde der hohen Zahl an.) Der Prügelakt dauert; er staut Spannung, schiebt auf, erhöht... Hat der SS–Mann sich 'fertig gemacht', verschwindet er.
Die Onanie Nicht-zu-Ende-Geborener hat psychoökonomisch oft vor allem zum Ziel – einen Gefühlszustand der Körperganzheit zu erreichen: kurzlebiger Versuch, die Peripherie zu besetzen, wird sie auch von manchen Patienten, die als 'Homosexuelle' in die Therapie kommen, vielfach am Tag wiederholt. Sie dient als Mittel gegen drohenden Ich–Zerfall, gegen aggressive Phantasien, zerreißende Angstgefühle. Nach der Onanie gibt es für Momente ein Sicherheitsempfinden, der Kopf wird entleert.
In solchem Onanievorgang könnte das Schauen beim Schlagen noch eine besondere Funktion haben: es entbindet den Genießenden davon, selbst eine Phantasie haben zu müssen. Das bedrohlich Innere ist er hier ganz und gar los. Es liegt auf dem Bock, wird dort in die angemessene Fasson gebracht und geht seinen Leib eigentlich gar nichts mehr an. Alle Erhaltungsaktionen verdrängen ja gleichzeitig den 'Wunsch zu wünschen', die Existenz des Unbewußten insgesamt. Das gelingt um so besser, je mehr es möglich wird, innere Wahrnehmungen durch äußere zu ersetzen..
Mit jedem weiteren Schlag/jeder weiteren Onaniebewegung verliert das Opfer ein Stück Begrenzung, kommt der Schauende der Erfahrung der eigenen Begrenzung näher. Daß der After dabei im Grunde das gewünschte Sexualobjekt sei, kann ich nicht bestätigt finden. Die Erhaltungslüste verdrängen jede Beziehungslust – so auch hier.
Im Zentrum des Vorgangs steht – zum Unterschied der Folter der 'Aufklärung' – der Körper des Folternden. [...] In der faschistischen Folter sind Strafe und Ermittlung zweitrangiges Nebenprodukt. Hauptprodukt ist die Ganzheit des Erlebens des Quälers, die Errichtung seiner physischen Allmacht. So wird auch nicht der Gequälte ausgestellt, der Quäler selber stellt sich aus. (Während die Gequälten zu verschwinden haben. Selbst als Demonstrationsobjekte wären sie noch bedrohlich.)"
Klaus Theweleit, Männerphantasien 2 (Kapitel 'Weißer Terror als Selbstbegrenzung/Selbsterhaltung - Prügelritual und Schauen), S. 299/300; Reinbek 1993
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