In der U–Bahnstation habe ich vorhin neben zwei Schülerinnen gesessen, etwa 15, 16. Auf ihre teenagerhafte Art nett gekleidet, gepflegt, dezent geschminkt, durchaus angenehme Erscheinungen. Sie redeten engagiert aufeinander ein, jedoch aus Diskretion in einer halblauten Tonlage, so dass ich, obwohl ich keinen Meter neben ihnen saß, zuerst nicht herausbekam, in was für einer Sprache. Es war offenbar ein europäisches Idiom, aber was? Es fehlten die für das Slawische typischen Reibelaute, auch ein mediterranes Parlando war nicht zu erkennen. Ich war schon geneigt, es für Skandinavisch, womöglich gar finnisch zu halten, da begriff ich bei erneuter Fokussierung meines Gehörs, dass es Deutsch war. Durchaus nicht dialektgefärbt, ein recht neutrales Hochdeutsch, aber in einer (mädchenhaften?) Betonung und mit rhetorischen Hebungen und Interjektionen, die mir als Hagestolz im Spätsommer des Lebens offenbar inzwischen so fremd geworden sind, dass ich mich ernsthaft frage, ob ich nun so weltabhanden bin, oder ob tatsächlich jede Epoche, jedes Jahrzehnt sich unabhängig von den Richtlinien der Schriftsprache eine neue Sprechkultur ausbildet, die die Elterngeneration als vom Mond Gefallene dastehen lässt, oder ob ich einfach mal hin und wieder Fernsehen sollte, um den aktiven Wortschatz nicht ausschließlich als eine Abfolge verlinkter und unverlinkter Worte zu begreifen.
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