Der so genannte Netzaktivismus treibt inzwischen schon merkwürdige Blüten.
Da regt sich die Generation Wir-wollen-alles-umsonst auf, wenn das eindeutig illegale und keineswegs selbstlose und erst recht nicht politische Filmportal kino.to vom Netz genommen wird. »Zensur!« brüllen sie ganz laut und antworten mit DDoS-Attacken. Schließlich werden uns mit der polizeilichen Sperre der illegalen kineastischen Massenware wichtige Informationen vorenthalten, die garantiert Massenaufstände oder soziokulturell bedeutende Folgeprodukte hervorgerufen hätten, zum Beispiel neue revolutionäre Facebook-Saufparties oder hochbrisante YouTube-Beiträge wie »Schwule Fußballspieler und andere lustige Bilder«. Natürlich greifen wir auch die pösepöse Filmindustrie an, die leider nur einen Nachteil hat. Nämlich dass die Filme, abgesehen von der Frage, wie kulturell wertvoll sie überhaupt sind, ohne zahlende Zuschauer überhaupt nicht existieren würden.
Da attackieren sie die pösepöse GEMA, weil die ja vom ebenfalls völlig uneigennützigen Internetkonzern Google tatsächlich Geld für auf YouTube veröffentlichte Musikbeiträge haben möchten. »Profitgier! Zensur!« brüllen sie schon wieder empört. Außerdem sei ein privater Verein wie die GEMA ja gar nicht berechtigt, irgendwas zu verlangen. Natürlich würden sie erst recht aufschreien, wenn der Staat die Tantiemen der Künstler eintreiben würde oder sie gar mit jedem Musiker einzeln verhandeln müssten, den die GEMA vertritt. Die GEMA ist nämlich nichts anderes als die Interessenvertretung derjenigen, deren Musik sie gerne herunterladen möchten - natürlich kostenfrei, wie gehabt. Ob diese Netzaktivisten denn auch selber Musik machen würden, wenn sie nichts mehr dafür bekämen? Schweigen im Walde. Nun gut, die GEMA mag bürokratisch sein und vielleicht hier und da überzogene Forderungen stellen, aber dass ohne die GEMA vermutlich unsere Musikkultur auf »Ich bin Schnappi, das kleine Krokodil« (aber vermutlich ist selbst dieser Titel GEMA-pflichtig) sinken würde, kapiert die Generation Wir-wollen-alles-umsonst nicht.
Gerne kommt das Argument: »Wir möchten, dass sich jeder freie Information leisten kann.« O.k., akzeptiert, welcher Schüler oder Hartz-IV-Empfänger freut sich nicht darüber, sich mal etwas »gratis« herunterladen zu können? Nicht, dass ich selber da sündenfrei wäre ;-) Aber: Ist das nicht ein falscher Ansatz? Zäumen wir da nicht das Pferd von hinten auf? Würden die Massen, unterstützt von »Anonymous« die Server der Jobcenter und Zeitarbeitsfirmen, der Springerpresse und der INSM lahmlegen, damit das unterdrückerische Hartz-IV-System abgeschafft wird und jeder wieder genügend finanzielle Mittel hat, um Kultur, und zwar hochwertige Kultur, zu konsumieren, dann - ja dann könnte ich mich diesem Anliegen gegenüber durchaus aufgeschlossen zeigen. Stattdessen fordern wir aber lieber, dass Kulturschaffende umsonst arbeiten und sich ihre Interessenvertreter gefälligst aus unserer Download-Praxis heraushalten - abgesehen davon, dass jeder, der umsonst Kultur konsumieren oder schaffen möchte, es jederzeit in Form von Public Domain tun könnte.
Und nun zum Blaster. Eigentlich eine tolle Sache, die leider wie alle anderen emanzipatorischen Medien, sei es Youtube, Twitter oder sonstwas (Facebook nehme ich da mal bewusst aus), darunter leidet, dass sie längst von schwanzgesteuerten Dumpfbacken usurpiert wurde. Wo das Posten von Gewaltpornos als Meinungsfreiheit aufgefasst wird und ebenfalls schon fast paranoid »Zensur« gebrüllt wird, wenn gefordert wird, sexistischen und gewaltpornografisch motivierten Beiträgen kein Forum mehr zu bieten, stimmt etwas nicht.
Das Internet ist ein spannendes Medium, aber leider werden hier tagtäglich tonnenweise Perlen vor die Säue geworfen und zugleich Scheinwahrheiten gepredigt. Ob die so genannten Netzaktivisten hier noch gegensteuern können und wollen, wage ich zu bezweifeln. Es ist für mich auch der Grund, nicht Piratenpartei zu wählen, obwohl ich dort durchaus einige positive Ansätze sehe.
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