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mcnep schrieb am 26.5. 2003 um 23:34:41 Uhr über

Nervengift

Heute, genau an seinem achtzehnten Geburtstag wurde Erwin durch eine intravenöse Injektion eines Nervengifts im Beisein der Familie von seinem Leiden erlöst. (In seinem Pass steht der ausgeschriebene Name Erwin Arno Piscator. 20jährige Germanistikstudenten haben manchmal solche Ideen.) In den vergangenen Monaten hatte er stark abgenommen, Mundhöhle und die Speiseröhre waren schmerzhaft entzündet, Bauchwasser hatte sich gebildet und sein Gehör - und Gesichtsinn waren fast erloschen, auch stumm war er geworden. Immunschwäche ist etwas tückisches, der Tod war ein angemessenes Geburtstagsgeschenk für ihn, aber dennoch; von meinem Vater habe ich ohne Tränen Abschied genommen, doch als ich Erwin im Schoß meiner Mutter herüberschlafen sah, habe ich geheult und tue es wieder, während ich davon schreibe. Beherrscher der Waschkücke, nächtlicher Kranschlürfer, vertrauenswürdiger Freigänger, nachkommenloser schwarzer Charmeur mit weißem Bäffchen, erster und einziger Kater meines Lebens. Ich bin in Trauer, und Du in der Tierkörperverwertung. Aber dreimal durchgeatmet und Kräfte gesammelt für all die Dutzend Tode, die in den nächsten Jahrzehnten noch so anstehen.
Siehst Du, geht schon wieder.

Mit freundlichen Grüßen


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