Die Menschen der Frühzeit glaubten, mit Hilfe der Sprache die Welt beeinflussen zu können: Über Tiere, Menschen, Naturereignisse, aber auch Götter und Dämonen habe man Verfügungsgewalt, wenn man ihre Namen kenne. Würde der Name genannt, so könnten sie herbeigerufen werden, wann immer dies gewünscht sei. Dieser Glaube basiert auf der Annahme, dass ein Wort und das damit Bezeichnete identisch seien, und führte so zu einem Namentabu, d. h. die Namen der Götter und Dämonen durften nur unter bestimmten Bedingungen ausgesprochen werden. Oswald Panagl nennt dieses Namentabu den „Rumpelstilzcheneffekt“.
Dieser Glaube an den Namenzauber erstreckte sich aber auch auf wilde Tiere wie zum Beispiel Wölfe und Bären. Das vermeintliche Herbeirufen der Wildtiere durch Benennen galt es zu vermeiden, um nicht Menschen und ihre Herden zu gefährden. So entstanden ersatzweise andere Bezeichnungen für diese bedrohlichen Tiere. Im indogermanischen Sprachraum sind solche euphemistischen Ersetzungen für Bär und Wolf zahlreich zu finden: Altkirchenslavisch „medvěd“ (der Honigesser), Litauisch „lokўs“ (der Lecker), Althochdeutsch „bëro“, aus dem sich das heutige Wort „Bär“ entwickelte (der Braune). Aber auch aus dem neueren Sprachgebrauch sind Euphemismen dieser Art noch bekannt. So gibt es etliche umschreibende Bezeichnungen für den Teufel: der „Leibhaftige“, der „Gottseibeiuns“ etc.
Aus der Wikipedia, Artikel »Sprachtabu«, abegrufen siehe Kopfzeile !
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