Als ich, in Nürnberg, 14 war, und die Schule schwänzte, waren meine Eltern, mein damals kleiner Bruder und ich von der Peterstraße, ganz in der Nähe meiner Schule, in die Siebenkässtraße gezogen, und die war ungefähr drei Kilometer von meiner Schule entfernt Mein kleiner Bruder war neun. Heute ist der Altersunterschied von fünf Jahren fast bedeutungslos, damals war er eine Katastrophe. Denn meine Eltern, zuvor großbürgerliche Inhaber eines Modegeschäfts mit Pelzmänteln und Maßschneiderei, waren im Krieg und nach dem Krieg von oben nach unten ins fast Bodenlose gestürzt. Das heißt, sie sahen es so, und waren von früh bis spät in Nürnberg mit dem Aufbau eines neuen Geschäfts beschäftigt, mit dem sie kurz danach pleite machten. Ich, ein 14jähriger, sollte mich um meinen Bruder kümmern. Und das war die Katastrophe. Denn ich hatte ein relativ sturmfreies Einzelzimmer im Erdgeschoß Erdgeschoß. Getrennt von der Wohnung meiner Eltern mit Bruder durch den Hausgang. Ich hatte in meinem Zimmer einen faszinierenden weil sexuellen Kontakt mit einem Gespielen, und mein kleiner Bruder stand vor der verschlossenen Tür, trommelte mit den Fäusten gegen sie und schrie: »Laß mich rein, laß mich rein.« Das war, auch für mich, sehr frustrierend. Und noch eine große Menge gut vergleichbare Ereignisse haben unsere Bruder-Bruder-Beziehung, jahrzehntelang, schwer belastet. Zurück zum Jahr 1956 und zur Schule. Damit ich weiterhin den Kontakt zu Schulfreunden hatte, entschieden meine Eltern, dass ich weiterhin in die Schule bei der Peterstraße gehen, das heißt, nun, fahren sollte. Sie gaben mir Geld für die Straßenbahn. Ich aber lief, ging sehr früh aus meinem Zimmer von Zuhause weg, und/oder schwänzte die Schule. Nürnberg hatte damals ein Kino (Fernsehen gab es noch nicht), das schon um zehn Uhr vormittags die erste Vorstellung anbot. Das »KALI«, in der Nähe des Plärrers. Vielleicht die erste Vormittagsvorstellung, vom Inhaber des Kinos, ökonomisch gesehen, für Schulschwänzer. Denn gewiß, das sah ich ja, war ich nicht der einzige geheime Rebell. Doch leider waren wir Rebellen damals noch sehr kontaktscheu. Auch und gerade gegenüber Gleichaltrigen. Die Altersvorschriften (»frei ab 6«, »frei ab 12« usw.) wurden an dieser Kinokasse, ganz im Gegensatz zu Vortadtkinos, aus denen später Einkaufsmärkte wurden, sehr streng eingehalten, und Polizei sah ich vor und im »Kali« nie. Meine Eltern gaben mir Geld für die Straßenbahn zur Schule, eine Karte an der Kali-Kinokasse kostete, für 10 Uhr vormittags eien Mark fünfzig. und die hatte ich zwei oder gar drei mal in einer Woche.
Viele, die einst meine Freunde waren, fürchten sich heute vor Gefahren. Das Leben ist Gefahr und Streit. Und wer nicht kämpft, der nichts erreicht. --- Sag warum willst du von mir gehen? --- Ich brauche dich und dein Vertrauen. Will der Gefahr isn Auge schauen. Bringt mir der Kill auch heut mein Blut.
In einem Wildwestfilm, den ich damals sah, wurde ein Goldtransport überfallen, und dabei starben sehr viel Männer. Am Ende sagte Cerry Cooper: »Wenn die Erde aus Gold wäre, würden sich die Menschen für eine Handvoll Dreck umbringen.«
Ein Weißer hat mal gesagt: »Lieber Gott, lass mich in einer langweiligen Zeit leben.« Wir sind keine Weißen. Und wir leben nicht in einer langweiligen Welt. Menschen bringen sich und andere für eine Handvoll Dreck um.
|