Auf dem Spiegel–Titelbild dieser Woche prangt, natürlich, das Foto des letzte Woche verstorbenen Rudolf Augstein. Ein gutes Porträtfoto, er im klassischen Altherrenzivil, hellblaues Hemd, rote (Kaschmir–?) Strickjacke, sogar das Kragenbündchen ein wenig überleger umgeschlagen, denn was sind Äußerlichkeiten gegen den Mantel der Geschichte? Den lebensgegerbten Kopf leicht nach rechts gedreht (wo steht der Feind? Eben.), und so etwas von schräg unten, war ja kein Riese, der Mann, schaut er ein wenig drein wie ein Opa, der bei der Gartenparty skeptisch äugt, ob die Enkel keinen Mist mit den Grillanzündern machen.
Bedingt durch die Kopfhaltung, die Wahl des Ausschnitts und die Größe des Fotos befindet sich im Bildschwerpunkt Augsteins linkes Nasenloch, etwa 9x3,5 Millimeter groß. Und dort drin, zwischen Nasenscheidewand und Lippengrübchen ist eine Stelle zu sehen, mir nur als Pixelwiederholung einer etwas schlampigen Photoshop–Stempelwerkzeugretusche ('Muster ausgerichtet') deutbar erscheint. Der Grund scheint mir klar: alte Männer neigen nun mal zu Nasenhaaren, und wahrscheinlich hat der verantwortliche Redakteur zu seinem Paintmonkey gesagt: »Prima Bild, aber die Nasenhaare müssen weg!« Abgesehen von dem seltsamen Gefühl, das es sein muß, einer unlängst verstorbenen Größe der Zeitgeschichte in der Nase rumzustochern, sei es auch virtuell, frage ich mich, ob sich Anna Maria Augstein, die fünfte und letzte Gattin nicht von Zeit zu Zeit hätte erbarmen können, und mit einem dieser relativ schmerzlosen und keinesfalls unbezahlbaren elektrischen Nasenhaarenferner sich mal den Nasenloch ihres Liebsten hätte nähern können, besser noch allen beiden, denn kann ja nie wissen, ob man nicht auch mal von schräg rechts unten fotografiert wird. Jedenfalls wäre es überflüssig geworden, einen extra Nasenhaarretuscheur einfliegen zu lassen, habe ich gedacht, aber dann fiel mir auf dem Foto auf Seite 62 auf, daß Augsteins Frau fast einen Kopf größer als er ist, und wahrscheinlich hat sie die Nasenhaare ihres Mannes aus dieser Perspektive nie gesehen. Und wenn es wirklich jemandem im Umfeld dieser demokratischen Instituion gegeben haben sollte, der kleiner als Augstein war (Aust scheint mir auch kein Riese), der hätte sich wahrscheinlich eher die Zunge abgebissen, als zu sagen: »Chef, sie haben da was in der Nase...« Eher werden sie sich in letzter Zeit abgewendet und dabei auf ein Postit notiert haben: Nasenhaarretuscheur anrufen wg. RA. Das Ergebnis auf dem Titelblatt des heutigen Spiegels zeigt auf das Deutlichste, daß es besser ist, ehrlich miteinander umzugehen, auch wenn dabei Tränen fließen, was aber wie gesagt vermieden werden kann, wenn man statt der peinvollen Pinzette zum Nasenhaarrasierer greift.
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