Ich habe noch mal über diesen Begriff »Neue WeltOrdnung« nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich die Gedanken mal aufschreiben sollte, damit ich sie quasi ausformuliere und sie so loswerde. Also:
Zunächst einmal muss man sich natürlich klarmachen, was das überhaupt heißt »WeltOrdnung«? Im Kontext der NWO-Verschwörungstheorien kann sich dieser Begriff eigentlich nur auf die »politische« oder »sozio-ökonomische« Grundordnung der Welt beziehen. Also der grundsätzliche Zustand der Welt im sozialen Bereich. Wer und womit übt Macht aus, woher kommt das Essen und die Kleidung usw.usf.
Am Besten ist es, den Begriff mit ein paar Überlegungen zu veranschaulichen.
I.
Anfangs, zur Zeiten der alten Ägypter und auch später im klassischen Altertum gab es in dem Sinne erst Mal überhaupt keine »Weltordnung«. Sowas haben sich die Leute damals noch gar nicht gedacht. Es gab lokale Gottheiten, etwa Athena für Athen, Phat für Theben (?) glaube ich oder irgendwelche Stammes- und Umweltgottheiten. Man selbst hat sich nicht so sehr als Ägypter, Grieche oder so erlebt, sondern als Anhänger der Athena oder ähnliches.
Das mag bei den alten germanischen oder keltischen Stämmen anders gewesen sein, aber nicht viel anders.
Die Heiden haben sich beim Leben wenig um die Welt als Ganzes gekümmert. Erst die Römer haben wirklich in dieser Größe gedacht. Aber auch die setzten im Wesentlichen die alte Nicht-Weltordnung fort. Es gab heidnische Götter, philosophische Systeme und Lehrmeinungen und eben Autoritäten. Fast jedes Volk hatte seine Eigenheiten, Sitten, Gebräuche usw., aber die einzelnen Gottheiten konnten ineinander übersetzt werden, falls notwendig. Das war sozusagen der Nullpunkt.
Dann traten die Leute auf den Plan, die erstmals wirklich _die Vision_ (und es war zunächst nur diese) einer neuen Weltordnung hatte: Die Christen.
Das Christentum ist zumindest dem Anspruch nach universell, das heißt es macht vor keiner Grenze, keinem Herrscher oder keinem Volk halt. Die Weltordnung der Christen war damit wahrscheinlich eine ärmere als die eher lokale Weltsicht der Heiden. Die Christen sahen das Ende der Welt bald (dehnbarer Begriff) kommen.
Die Herrscher wie Kaiser oder gekrönte Fürsten waren nur temporäre Statthalter. Der eigentliche Kampf war der zwischen den Gottesvolk und den durch die Apokalypse des Johannes angekündigten Antichristen.
Das Christentum war niemals wirklich in dem Sinne eine »Ordnung der Welt«. Gleichzeitig verbreitete sich ab den Frühmittelalter oder der Spätantike im Orient der Islam. Indien, China und Japan waren geprägt von einer vollkommen anderen Religion.
II.
Durch die europäischen Entdeckungsfahrten in der frühen Neuzeit, Portugisen und Spanier voran, entstand sowas wie die erste Weltordnung.
Das Papsttum und der Katholizismus waren das Zentrum dieses ersten Anlaufversuchs. Der Papst zeichnete eine Linie auf einer Landkarte und schon war die gesamte Welt in eine portugiesische und eine spanische Domäne aufgeteilt. Noch heute gut erkennbar an den Landesgrenzen Brasiliens. Das letzte Überbleibsel dieses ersten Versuchs einer echten Weltordnung.
Die aufstrebenden Nationalstaaten kümmerten sich nicht sehr um diese Aufteilung. Frankreich, England und die Niederlande vor allem fuhren in die Neue Welt, bereisten Asien und sicherten sich dort Schlüsselpunkte. Später folgte eine Kolonialisierung.
Parallel dazu erfolgten in Europa blute Kämpfe zwischen den Glaubensrichtungen und den herrschenden Dynastien um Macht. Der englische Bürgerkrieg, der Dreißigjährige Krieg und diverse kleiner Konflikte forderten blutigen Tribut. Die Europäer waren brutal nach außen, aber auch nach innen.
Durch das Ende der Universalkirche, in der nicht mehr jeder seinen Platz finden konnte, war auch das Scheitern dieser Weltordnung endgültig angelaufen. Die Staaten blieben zwar christlich, der Glaube oft verpflichtend, aber die eigentliche Herrschaft oblag bald den Staaten.
III.
Spätestens mit den Westfälischen Frieden wurden die Uhren neu gestellt. Die ersten Souveränen Nationalstaaten oder Staaten erschienen auf der Bildfläche und das Modell sollte Schule machen.
Durch den aggressiven europäischen Kolonialismus, der seinen Höhepunkt im 19. Jahrhundert fand, wurde dieses Modell erstmals wirklich universell verbreitet.
Egal ob Osmanisches Reich, Indien oder das aus der Landesabschließung wiederkehrende Japan -- alle Königreiche und Bündnisse mussten sich selbst als Staaten neu erfinden. Egal ob klassischer Nationalstaat oder Willensnation, egal kulturell homogen oder heterogen, alles hatte sich dem neuen Modell zu fügen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich gab es schon vorher Völker mit eigenen Sitten, Vorstellungen und Gesetzen. Selbst im christlichen Europa konnten sich die Sitten von Region zu Region stark unterscheiden, was z. B. Hochzeit, Heiligenfeiern usw. angeht.
Neu war allerdings, dass das quasi durch einen Gesetzgeber auf der Ebene des gesamten Staates durchgesetzt werden musste. Das Nachbardorf mag zwar aus uralter Zeit andere Sitten überliefert haben, aber es untersteht letztlich den selben Gesetz. Dagegen kann die eigene Geburtsstadt schon ein anderes Land sein.
Die Europäer haben sich mehr oder weniger willig dieser Ordnung unterworfen. Venedig beispielsweise während der Revolutionsrepubliken. Die Fürstentümer des Heiligen Römischen Reiches gingen in den Nationalstaat Deutschland und Österreich-Ungarn auf.
Dieses Modell hatte mit Minderheiten und den Konflikten zwischen den Nationalstaaten massive Probleme und hat es im Grunde immernoch. Mit dem ersten Weltkrieg verlagerte sich der Schwerpunkt von Europa in die Neue Welt, die VereinigtenStaaten (USA).
IV.
Spätestens nach dem Zweite Weltkrieg war die Weltordnung der souveränen Staaten angekratzt. Zum einen entwickelte sich die Konfrontation zwischen der »freien Welt« im Westen und den »Ostblock«, der dem Kommunismus anhing. Zum anderen gab es mit den Vereinten Nationen erstmals eine weltweite Gemeinschaft der Nationalstaaten.
Zumindest im Westen und in der blockfreien Welt gab es dennoch zumindest im Prinzip souveräne Staaten. China sagte sich bald von den Sowjets los und der Kommunismus war somit uneinig geworden.
Es ist schwer genau zu beurteilen, ob hier eine neue Weltordnung entstanden war, im Entstehen begriffen war und dann scheiterte wie die katholische Universalordnung oder ob (!) nicht eigentlich die Souveränen Staaten einfach weitermachten, nur statt Kolonialismus eben mit anderen Ausrichtungen.
Meine Meinung ist, dass hier der Kommunismus eine Art neue Ordnung sein wollte, aber scheiterte. Es hat nur 80 Jahre gedauert, bis dies endgültig klar war.
V.
Nach Ende des Kalten Krieges, durch die Vereinigung Europas usw. sieht es so aus, als könnte jetzt wirklich wieder eine neue Weltordnung entstehen.
Wie genau die Aussehn könnte, ist nicht absolut klar.
Viele Kommentatoren, und ich stimme da zu, sind der Meinung, dass diese Weltordnung durch zwei Faktoren bestimmt sein wird: Multinationale Konzerne, die ihren Geschäftssitz quasi nach belieben verlagern können und internationale Verbände, wie etwa die EU oder die UNO.
Wobei ich auch glaube, dass solche Systeme wie die EU bereits im Absterben sind. Aber die Konzerne sind gute Kandidaten, genauso eigenständige Macht bei der Gestaltung der Welt erlangen zu können wie in der frühen Neuzeit die Staaten.
Natürlich würde es in so einer Ordnung vielleicht auch noch Staaten geben, sie wären aber nicht mehr der Hauptträger der Macht. Genauso wie es ja immer noch Kirchen gibt, auch wenn kein Papst mehr die Macht hat, die er damals hatte.
VI.
Wäre eine neue Weltordnung schlecht?
Ich weiß es natürlich nicht. Doch mal ehrlich, wenn man sich anguckt, wie schrecklich Blutig die Geschichte der Nationalstaaten war, wie viel Leid für diese Idee entstanden ist, dann weiß ich nicht... Der Status quo ist jedenfalls auch nicht gut.
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