Es gibt Musik, ohne die es nur halb so schön wäre, die Augen zu zumachen. Musik, bei der die Sonne aufgeht – je mehr, je dunkler es um einen ist. Musik, die Erinnerungen weckt. Die aufwühlt.
Musik, die tausende Menschen fesselt. Ein Lied. Ein Rhythmus. Eine Stimme. Ein Gefühl, tausend Menschen.
Alle vereint, weil gefangen von unglaublicher Perfektion. Niemand sonst hätte gewagt, die Töne so zu ordnen, niemand sonst hätte geschafft, sie besser zu reihen.
Und kurz bevor es dann aus ist: der eine Moment. Wie abgesprochen unter der Menge. In dem alle Luft holen, die Hände in die Höhe strecken und dann ein einziges Meer aus Jubel werden. Begeisterung pur. Das gute Gefühl, unter Freunden zu sein in einem Meer aus Fremden. Alle mit dem gleichen Gedanken, dem gleichen Gefühl, dem gleichen Ziel: Musik.
Musik und Festivals sind da, um zu spüren, dass man lebt. Und auch ein bisschen, um zu erkennen, dass die Welt doch noch in Ordnung ist - zumindest an diesen drei Tagen. Dass Dido nicht mehr braucht, als ihre Stimme, um die Menschen zu vereinen. Und Lenny Kravitz – seien wir ehrlich – gerade mal seinen Oberkörper. Die Gesetze, nach denen die Gesellschaft lebt, sind so einfach und zumindest an diesen Tagen funktionieren sie reibungslos.
Ein bunt zusammengewürfelter Haufen: der Mann von der Bank in Jeans und Gelfrisur, das kreischende Girlie im gürtelbreiten Minirock, und mittendrin der langhaarige Typ in Unterwäsche und Wollmütze, bei dem man sich fragt, was er wohl den Rest des Jahres macht. All das spielt keine Rolle, man ist, wer man ist. Oder wer man sein will.
Festivals sind eine kleine Welt für sich in der die Individualität regiert. Und in der sich Probleme darauf beschränken, wie man die Dose Chili ohne Öffner aufbringt oder wie man nachts sein Zelt wiederfinden soll, nachdem noch andere die Idee mit dem Knicklicht hatten.
Hauptsache, man hat etwas erlebt.
Und das Erlebte lebt noch Tage weiter. Wenn der Kassier im Supermarkt das Eintrittsband noch trägt, während er die Spaghetti über den Scanner zieht – und man selber das Geld hinüberreicht, am Handgelenk das selbe Bändchen; das sind die Momente in denen man sich an das Gefühl erinnert, als man tief Luft holte und die Hände in die Höhe reckte – und das ist der Moment an dem der Kassierer und ich das gleiche denken: Scheiße, war das geil.
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