Der Motor des Quantencowboys
Herbert Hasenbein 28.02.2003
Eine stille Revolution im Verständnis von Energie und Bewegung
Marlan Scully, auch liebevoll der Quantencowboy genannt, stellt einen Motor vor, der
Wärme verlustfrei in Bewegung umsetzt.Kein Perpetuum mobile der zweiten Art,
sondern eine Lösung vom Typ des Nachbrenners, dennoch wirksamer als die "Carnot
engine": Atome sind die Kohle, und die Strahlung der Dampf, um den Kolben zu
bewegen. Dazu kombiniert Marlan Scully in dem Bericht seiner Arbeitsgruppe in
Science seinen Liebling, den Laser mit Spiegeln und dem Konzept der "quantum
coherence".
Marlan Scully geht vom typischen Otto-Motor aus, in dem das Gas im Zylinder expandiert,
den Kolben bewegt, Wärme an die Umgebung abgibt, komprimiert und erneut gezündet wird.
Seine Neuerung sind zwei zusätzliche Schritte. Nach dem Abkühlen wird das Gas bei
konstanter Temperatur durch eine Mikrolaser Hohlraum geführt und setzt dort Energie frei.
Dieser Hohlraum wird beim nächsten Verbrennungszyklus erneut auf eine konstante
Temperatur erhitzt. Statt die kinetische Energie der Gasatome zu erhöhen, wird jedoch der
Energiezustand der Atome erhöht, so dass sie Photonen erzeugen. Weil die hinzu gewonnene
Energie größer ist als die erzeugte Kraft, folgt das Prinzip den Gesetzen der Thermodynamik.
Das Arbeitsprinzip des perfekten Motors. Hohlraum Th dient dazu, die
abgekühlten Atome wieder aufzuheizen und bis zum nächsten Zyklus
vorzuhalten.
Was in wenigen Worten einfach erscheint, ist tatsächlich eine stille Revolution im Verständnis
von Energie und Bewegung. Albert Einstein erkannte als Erster, dass kleine Partikel durch
zufällige Stöße regellos hin- und herzittern. Warum, so einige Physiker, sollte die Brownsche
Bewegung nicht gerichtet werden? Und so waren die »Brownschen Motoren« geboren: statt
ziellos umherirrender Teilchen das Bahnen in eine Richtung. Das erfordert äußere Energie,
um zu verhindern, dass sich ein thermisches Gleichgewicht einstellt. Dennoch sind die
Brownschen Motoren in unserem bisherigen Verständnis etwas Ungewöhnliches. Für die
gerichtete Bewegung sind weder eine Nettokraft, noch ein chemisches Konzentrationsgefälle,
oder ein Temperaturgradient erforderlich.
Die Funktionsweise wurde vor mehr als 30 Jahren von Richard Feynman als
Gedankenexperiment vorgestellt. Man nehme ein Flügelrad, das sich wegen eines Sperrhakens
nur in einer Richtung drehen kann. Falls nun ein Partikel auf einen Flügel auftritt, erfährt das
Rad einen Kraftstoß, der bei entsprechender Stärke das Rad vorwärts bewegt. Dennoch bleibt
es beim Stillstand, weil der Sperrhaken ebenfalls Partikel abbekommt und folglich nicht
widerstandsfrei geöffnet werden kann. Auf der Suche nach praktischen Anwendungen
erkannten die Physiker allerdings, dass der Sperrhaken durch Asymmetrien ersetzt werden
kann. Das sind beispielsweise sägezahnartige Dächer mit unterschiedlicher Steigung, in der
die Teilchen in Mulden aufgefangen werden. Wird das thermische Rauschen durch
regelmäßige Schüttelbewegungen gestört, dann findet überraschenderweise eine Separierung
statt. Peter Hänggi läßt Teilchen entlang eines sägezahnförmigen Potentials wandern, dessen
Energiezufuhr ein- und ausgeschaltet wird. Die in einem Minimum des Potentials liegenden
Partikel breiten sich während der Aus-Phase regellos in alle Richtungen aus. Mit dem
Einschalten des asymmetrischen Potentials gehen die Teilchen allerdings gerichtet den Weg
des geringsten Widerstandes. Makromoleküle und Zellen, so die Hoffnung, könnten durch den
Lauf über eine Strecke ganz ohne Chemie voneinander getrennt werden.
Auch für Biologen haben Brownschen Motoren etwas Faszinierendes. Wie wird aus
chemischer Energie eine gerichtete Bewegung? Das bekannteste Beispiel ist die
Muskelkontraktion. Tausende von Aktin-Myosin-Motoren sind bei jedem unserer Schritte im
Einsatz, weil sich die Myosinfasern an den Aktinfasern entlang hangeln. Die Energie für den
molekularen Motor schafft Adenosintriphosphat (ATP). Aus der neuen Sicht wird vieles im
molekularen Ablauf greifbarer. Selbst die Gegner der Idee von den Brownschen Motoren, die
den Muskel als eine Art Gummiband verstehen, brauchen einen Mechanismus, der zum
Spannen führt.
Marlan Scully ist ein solider Theoretiker. Mit bisher über 400 Publikationen hat er viele
Entwicklungen angestoßen: von der Quantum Theorie der Laser (zusammen mit Willis Lamb)
bis zur Überlegung, dass der Informationsverlust in einem Teil des Universums die Art
verändert, wie wir an anderer Stelle damit umgehen. Noch ist sein Motor kein knatternder
Prototyp. Gleichwohl wird die Idee, das Prinzip der Brownschen Motoren mit den
Fähigkeiten des Lasers zu kombinieren, Techniker und Wissenschaftler begeistern.
Kommentare:
Illusionisten (Buridans Esel, 1.3.2003 16:59)
SlOT: Verständnisfrage (Mr. B.B.C., 1.3.2003 13:47)
Vielen Dank für die ausführliche Erklärung (binario42, 1.3.2003 11:57)
mehr...
Copyright © 1996-2003. All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten
Heise Zeitschriften Verlag GmbH & Co.KG
last modified: 28.02.2003
Privacy Policy / Datenschutzhinweis
|