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Charch schrieb am 27.4. 2003 um 23:40:49 Uhr über

Mittelalter

Entstehung der mittelalterlichen Gärten

Vom indogermanischen Wort »gher« = fassen entwickelte sich »ghortos«, das wörtlich mit »das
Eingefaßte, Eingefriedete, das Geschlossene« zu übersetzen ist. Der Zaun war es also, der dem
Garten zu seinem Namen verhalf, der geflochtene Zaun, der an einer Hauswand entlang ein Stück
Land umschloß, damit kein Wildfraß dem Apfelbaum und den Kräutern, die hier wuchsen,
schaden konnte.

»Die altgermanischen Heilpflanzen (Kräuter, Wurzeln, Bäume, Körner, Beeren, usw.) stammen
fast ausschließlich aus der nächsten Umgebung der mit der Feuerstätte, Dörr- oder Rösthürde und
Zaungehege ausgestatteten menschlichen Siedelung. Innerhalb dieser Hofreite wurden anfangs die
Heilpflanzen nicht kultiviert, sondern wuchsen wild, wurden geschnitten oder ausgegraben mit den
herkömmlichen älteren Geräten, und wie ein Getreide eingetragen, um über dem Feuer auf der
Hürde als Vorrat geröstet oder getrocknet zu werden

Aber manche Heilkräuter, die nicht im Umkreis eines Dorfes wuchsen und die am Feldrain oder
im Wald gesucht werden mußten, da sie sich als nützlich erwiesen hatten, wenn Mensch oder Vieh
erkrankte, wurden schließlich im Garten angepflanzt. Es wurden auch andere Nutz- und
Heilpflanzen innerhalb des Zaungeheges angebaut, z.B. Pflanzen, die reich an Stärke, Zucker und
Fett waren (dagegen wurden die bis in unsere Tage viel verwendeten Gartenpflanzen mit reichem
Gehalt an ätherischen Ölen erst später durch die Mönche, über die Alpen, aus Südeuropa
eingeführt). Wenn der Hausgarten von einem lebendigen Zaun eingeschlossen war, wurde er von
Schlehe und Weißdorn gebildet. Ferner wuchs der Haselstrauch und vor allem der Holler oder
Holunderstrauch, der in allen seinen Teilen den Menschen diente: Beeren wurden als Mus
genossen, Rinde, Wurzeln und Blüten nützten gegen verschiedene Leiden. Fliederbeersuppe und
Holdermus waren einst verbreitete bäuerliche Gerichte (Flieder oder Fliederbeerbaum wird er in
Norddeutschland genannt, Holder oder Holler in Süddeutschland). Er war der nächste
Arzneischatz des Bauern und galt daher als Wohnsitz des guten Hausgeistes: »...für den Landmann
war und ist noch heute der Holunder eine vollständige Hausapotheke. Alle Teile benutzt er und
fast für jedes Leiden und Gebrechen findet er darunter ein Mittel«. (In neuester Zeit entdeckte
man am Holunder Eigenschaften, welche selbst den naturverbundenen Germanen noch nicht
bekannt sein konnten: Er verträgt sehr gut die städtische Luftverschmutzung, deshalb wird er als
Luftverbesserer noch dort gepflanzt, wo andere Bäume keine Lebensgrundlage mehr finden). Er
wehrte Krankheit und Zauber in vergleichbarer Weise wie der Wacholder oder der Sadebaum
ab. Auch die Eibe gehört als Schreckbaum gegen die bösen Geister zum uralten Gartengut.

Literarische Zeugnisse römischer Schriftsteller zeigen, daß »...schon zu vorrömischer Zeit in ganz
Deutschland und zum großen Teil auch in nordischen Ländern: Gerste, Weizen, Spelzweizen,
Hafer, Roggen, Erbse, Linse, Bohne, Möhre, Rübe, Flachs, Hanf, Waid, Mohn und Apfel gebaut
wurden«. Hanf und Mohn sind narkotisch wirkende und daher zu Heilzwecken benutzte Pflanzen.
Alte germanische Hauslandpflanzen, die als Gemüse genossen wurden, waren der Wegerich,
verschiedene Ampferarten, der Gute Heinrich und die Wegwarte.

Wie schon erwähnt, war der einzige von den Germanen in Kultur genommene Obstbaum der
Apfelbaum, und zwar der Holzapfel. Dies ist auch der einzige Obstname, der rein germanischen
Ursprungs ist. Der Apfel zeigt auch die meisten volkskundlichen Beziehungen: Als Sinnbild der
Fruchtbarkeit spielte er viele Jahrhunderte hindurch im Liebesorakel des Volkes ein große Rolle.

Zwar waren den Germanen auch die Kirschbäume: Sauerkirsch, Süßkirsche sowie die
Kriechpflaume bekannt, aber sie wurden nicht angepflanzt. Die meisten Obstbäume lernten sie erst
durch die römische Kultur und durch die kolonisatorische Tätigkeit der Mönche kennen.

»Ein Ziergarten war damals unseren Vorfahren noch unbekannt... Erst in späteren Jahrhunderten,
nach einer Verfeinerung der deutschen Kultur, fanden auch Pflanzen zur reinen Augenfreude
Eingang in den Bauerngarten«.

Dieses schlichte Nutzland war weit entfernt von edler Zier, von Bäumen war noch keine Spur
vorhanden, es war lediglich für das Nötigste des Lebens bestimmt, aber es war dem Germanen
schon besonders wert und teuer. Jenes Hausland bildete mit der Hofstatt das Sondereigentum des
Germanen im Gegensatz zu Feld, Wiese und Wald, die den gemeinsamen Sippenbesitz bildeten.

Der römische Einfluß

Mit dem Eindringen der Römer veränderte sich allmählich der schmucklose germanische
Bauerngarten. In den Bezirken römischer Besatzung am Rhein und in Süddeutschland wurde vor
allem der germanische Würzgarten bereichert. Wie man durch Berichte der römischen
Schriftsteller Plinius und Columella (1. Jahrhundert n. Chr.) erfährt, brachten diese Einwanderer
aus dem Süden ihre eigenen Würz- und Heilkräuter mit, wie Raute, Anis, Dill, Kerbel, Senf und
Koriander. Hochwertige Obstsorten wurden eingeführt: Cerasus (Kirsche), Prunus (Pflaume),
Persicum (Pfirsisch) sind lateinische Namen, die der deutschen Zunge recht gemacht wurden.
Auch Mandeln, Aprikosen, Walnuß und Weinrebe hielten jetzt ihren Einzug.

Die Obstkultur war im zweiten christlichen Jahrhundert in den Ländern am Rhein und an der
Donau bereits eingebürgert. (Nach Angaben von Hoops sollen die Ausgrabungen in Saalburg bei
Homburg bezeugen, daß am Fuß des Taunusgebirges schon in den ersten nachchristlichen
Jahrhunderten Pflaumen, Zwetschgen, Kirschpflaumen, Süß- und Sauerkirschen, Pfirsiche und
Aprikosen, Walnüsse und verschiedene Sorten von Haselnüssen gezogen wurden). Einige
Nutzpflanzen wie Kürbis, Gurken, Spargel, Sellerie, Knoblauch und Rüben gediehen in den
römischen Gärten. Sogar Blumenbeete mit Rosen, Lilien und Fiolen (letztere vermutlich Goldlack
oder Levkoje), die recht häufig mit Buchs eingefaßt waren, wurden von den Römern angelegt.
Aber für die farbenprächtigen Blütenpflanzen hatte der prakhsch denkende »Barbare« noch kein
Verständnis. Während der Völkerwanderung (2. bis 6. Jahrhundert n. Chr.) und in den
nächstfolgenden Jahrhunderten wurde dieser erste reiche Gartenbau vernichtet, und es gingen
dabei auch manche der früheren Errungenschaften im Gartenbau wieder verloren.

Die Landgüterverordnung Karls des Großen

Über den deutschen Bauerngarten des Mittelalters liegen fast keine schriftlichen Berichte vor. In
dieser Zeit haben die Klöster die Kultur des Gartens bewahrt. Benediktiner und Zisterzienser
spielten eine entscheidende Rolle als Lehrer der Menschen im Mittelalter im Gartenanbau, denn
als Träger der damaligen Kultur haben sie die Kenntnis und den Anbau bestimmter Pflanzen
weiterverbreitet, die sie im »Hortus medicamentorum« neben der Wohnung der Årzte anpflanzten.
Durch Abgabe an die Dorfbewohner mag jener Grundstock von Heilpflanzen entstanden sein, der
heute noch in manchem ländlichen Garten zu finden ist.

Eine genauere Vorstellung vom Stand des Gartenbaus gibt uns allerdings die vom Abt Ansegis von
St. Wadrille aus dem Orden der Benediktiner auf Befehl des Kaisers Karl des Großen im Jahre
812 n. Chr. in Aachen zusammengestellte Domänenverordnung, das »Capitulare de villis vel curtis
imperii«. In dieser Landgüterverordnung wurden sehr detaillierte Vorschriften zur Verwaltung der
Krongüter gegeben. Sie enthält die Regelung des ländlichen Betriebes auf den kaiserlichen Gütern
nach bewährten Vorbildern aus römischer Zeit: »...die Dreifelderwirtchaft, der Weinbau, die
Obstpflege, die Zucht von Hausvieh und Herdenvieh, Pferden, Rindern, Schafen, Schweinen,
Ziegen, Bienen, Fischen sind bis ins einzelne vorgezeichnet als Bestandteile vorbildlicher
Musterwirtschaften«. Der Kaiser selbst war wie schon seine Vorgänger der größte Grundbesitzer
und lebte von den Erträgen seiner Güter. Er regierte seine Länder nicht von einem festen
Regierungssitz, sondern von seinen verschiedenen Pfalzen (aus lat. paláhum = Palast, befestigte
Wohnstätte des Königs) aus, die über das ganze Reich verteilt waren. Sie verschafften dem
Kaiser feste Einnahmen, und wenn er dort mit seinem Gefolge wohnte, mußten die Bauern aus der
Umgebung des Hofes Naturalien beisteuern.

Dieses erwähnte Reichsgesetz zählt im letzten, dem 70. Abschnitt im einzelnen alle Pflanzen auf,
welche in den königlichen Gärten vorhanden sein mußten. Es verordnete den Anbau von 73
Nutzpflanzen (Gemüsen, Küchenkräutern, Gewürz- und Heilpflanzen) sowie die Anpflanzung von
14 Baumarten, die der Verwalter der kaiserlichen Güter in den Gärten vornehmen sollte. Doch
unter den aufgezählten Gewächsen sind einige südeuropäische Heilpflanzen mit viel Gehalt an
ätherischen Ölen, die sich vermutlich seit der Römerzeit hier gehalten haben, z.B. Rosmarin,
Salbei, Diptam. Außerdem wurden einige Pflanzen wie Haselnuß, Wermut oder Beifuß aus der
freien Natur in den Garten übernommen. Andere bis dahin unbekannte Nutzpflanzen verdankte
Karl der Große seinem Freund Harun-al-Rashid. Diese wurden zunächst in dem Garten seiner
Pfalz angebaut, an das hiesige Klima gewöhnt und dann weitergegeben und empfohlen. Eimge der
aufgezählten Obstbäume wie Feige und Lorbeer können aber im mitteleuropäischen Klima nicht
gezogen werden. Verschiedene Experten sehen darin einen Beweis, daß das Capitulare von
seinem Sohn Ludwig dem Frommen stammt und bereits im Jahre 795 für seine Hofgüter in
Südfrankreich in Aquitanien erlassen wurde.

Im Brevarium sind Inventarien (Verzeichnisse oder Berichtsformulare) aufgestellt worden, unter
anderen auch von der Pflanzen, welche in zwei Krongütern wirklich gezüchtet wurden. Daß
Inventar I des Hofgutes Asnapium weist achtundzwanzig Pflanzen (20 Blumen- und Gemüsearten,
8 Obstbäume), das Inventar II des Hofes Treola siebenunddreißig Pflanzen (27 Blumen- und
Gemüse- und 10 Obstarten) auf. Beide Hofgüter sollen in Südfrankreich gelegen haben, und
deswegen nimmt man an, daß nur diese Gegend als Geltungsbereich der Capitularien zu
betrachten sei.

Eine wichhge Rolle spielte die Hauswurz, ein »Immerlebendes«. Bei den Alten führte die Pflanze
auch den Name Jupiterbart. »In Deutschland war das Gewächs dem Donar geweiht, die rosaroten
Blüten erinnern an den Bart des Donnerers, den dieser beim Zucken seiner Blitze schüttelte; es
trug daher den Namen Donnerbart oder Donnerwurz.« Man sah in der kerzengeraden Blume
einen Blitzableiter, der das Haus während des Gewitters schützte, und sie genoß auch eine
besondere Bedeutung als Heilmittel. Das Capitulare ordnete an, sie auf dem Hausdach
anzupflanzen, und in der Gegenwart findet man sie unter den Namen Dachwurz noch in Gärten,
am Zaun oder auf Pfählen angepflanzt wieder.

Eine wichtige Kulturpflanze, die wahrscheinlich aus dem vorderasiatischen Raum stammt, ist die
Rebe. Nach dem Capitulare Karls des Großen mußte auf jedem seiner Güter, die durch
Aushängen von Kränzen zu bezeichnen waren, ihr Anbau betrieben werden.

Die Klostergärten

Die zunehmende Bereicherung der Gärten im ländlichen Bereich verdanken wir der Ausbreitung
des Christentums in Mittel- und Nordeuropa. Denn das ganze Mittelalter hindurch waren, wie
bereits schon erwähnt, Benediktiner und Zisterzienser die Hauptträger der Gartenkultur Europas.
Die Blumen, die in ihren Gärten blühten, standen dort allerdings nicht um ihrer Schönheit willen,
sondern wegen ihres tatsächlichen oder nur angenommenen Wertes als Heilpflanze. Rosen, Lilien,
lris und Salbei mußten Blüten, Blätter oder Wurzeln zur Bereiten heilender Salben oder Tränke
liefern. Rosen und Lilien dienten beide zu »...beliebten Symbolen des Christentums: Die heilige
Jungfrau in ihrer Anmut und Milde erschien als Rose, die himmlische Reinheit ward in der Lilie
angeschaut...« Man schmückte mit ihnen und später auch mit anderen Blumen die Kirche an
christlichen Festtagen zum Gottesdienst. Von den dekorativen Blattgewächsen pflanzte das
Mittelalter nur ein einziges, den Buchs, und zwar die niedrige Varietät. Er ist seit alten Zeiten als
Zierstrauch verwendet worden, namentlich zur Einfassung von Gartenbeeten. Als Heilpflanze
scheint er bei den Alten nicht betrachtet worden sein, wie es dann später geschehen.

Eine klare Darstellung von einem Klostergarten bietet uns ein zum Bauriß des Klosters St. Gallen
825 n. Chr. entworfener Plan von dem Benediktinermönch Eginhard. Dieser Entwurf kam zwar
niemals zur Ausführung, zeigt aber zum ersten Mal eine genaue Einteilung des Gartens und eine
Anordnung der Gewächse (wahrscheinlich eine geordnete Ausführug des Capitulare oder »...daß
beide - Klosterplan und Capitulare - aus derselben Quelle, dem Lehrgut der Benediktinermönche,
schöpften«).

Für den Garten des Klosters wurden 3 Abschnitte geplant:
a) der Arzneigarten oder Herbularius,
b) der rechteckige Gemüsegarten »hortus« (hier fehlen jene Gemüse, die zur allgemeinen
Ernährung dienten: Rüben verschiedenster Art, Bohnen, Erbsen, Linsen, Hirse usw. »Das alles ist
draußen angebaut, sei es vom Kloster selbst, sei es von Hörigen, die zur Ablieferung verpflichtet
waren, oder aus der weiteren Umgebung...«
c) der Baum- und Obstgarten; er war gleichzeitig Friedhof des Klosters. Aus einer stark
symbolischen Denkweise sah man in den Obstbäumen mit ihrem jährlichen Lebensrhythmus ein
Sinnbild der Auferstehung, ein neues Leben nach dem Tode. Der Baumgarten wurde der
eigentliche Wohngarten, der reichlich Platz für mehr Besucher bot, und der zugleich ein Abbild des
Garten Eden darstellen sollte.

»Die Anregung der kaiserlichen Landgüterverordnung zog im Laufe der Jahrhunderte immer
weitere Kreise; die Klostergärten wetteiferten mit den Krongütern, und die Landgutbesitzer
versuchten beiden zu folgen

Das erste botanische Dokument aus alter deutscher Zeit ist das lateinische Gedicht von
WALAHFRIED VON STRABO, Abt des Klosters von Reichenau, »Hortulus« oder »Liber de
cultura hortorum (»Von der Pflege der Gärten«) genannt. »...Er beschreibt in wenigen Zeilen die
Anlage, die Pflege sowie Schönheit und Kräfte seiner BlumenDiese Gartendichtung befaßt sich
mit 23 Arznei- und Nutzpflanzen, wobei ihre Lieblichkeit, ihr Duft oder ihre Heilwirkung stets
hervorgehoben werden. Doch dieser erste deutsche Garten ist immer noch ein »Wurzgärtchen«,
ein Arzneigarten, in dem die Blumen nebensächlich sind. Es sind viele Pflanzen aus dem
Mittelmeergebiet erwähnt, die wegen ihres starken Geruches in der Medizin und beim Volk sehr
beliebt waren.

Erst später brachten die Mönche auch Blumen aus ihren italienschen Klöstern mit. Sie pflanzten sie
in ihre Klostergärten, aus denen dann die Blumen allmählich in die ländlichen Gärten wanderten.
»Der deutsche Mensch hat die Blumen eher mit der Nase als mit dem Auge bewertet. Der starke
Geruch, dem man eine belebende, eine stärkende, ja heilende Wirkung zuschrieb, wird zuerst an
Rose und Lilie mit Entzücken hervorgehoben, während die geruchlosen Blumen verachtet
wurden

Das »Liber simplicis medicinae« der Hildegard von
Bingen

Zu den im Capitulare bereits aufgezeichneten Pflanzenarten gesellt sich eine Reihe neuer Namen in
der »Physica« oder »Liber simplicis medicinae«, dem Buch der einfachen Medizin der Heiligen
Hildegard, Äbtissin des Klosters auf dem Ruprechtsberg bei Bingen, deren Buch eigentlich die
erste lokale Naturgeschichte des Mittelalters darstellt. Das erste Buch ist eine Aufstellung von
insgesamt zweihundertdreizehn deutschen und in Deutschland einheimisch gewordenen Gräsern,
Kräutern und Früchten mit ihren Nährwerten und Heilkräften, wobei in ihren Rezepten stets der
Pflanzenaberglaube eine Rolle spielt (darunter werden z.B. auch die Wirkung von Mehl, Milch,
Butter. Eiern, Salz, Essig, Honig usw. behandelt). Im zweiten Buch werden zweiundsechzig
Bäume (darunter viele einheimische) und die Weinrebe aufgeführt.

Zur Verbreitung der Kenntnis und des Anbaus von Arzneipflanzen trug damals auch wesentlich
das »Buch der Natur« von KONRAD VIN MEGENBERG (1350) bei. Es war die erste
Naturgeschichte in deutscher Sprache.

Einführung der Blumen

Von der Karolingerzeit bis zum Ausgang des Mittelalters (vom 9. Ende des 15. Jahrhundert)
vollzog sich nach und nach die Einwanderung fremder Gewächse mit zunehmender Zahl an
Zierpflanzen in Dorfgärten. Dieses kann man aus den Schriften des ALBERTUS MAGNUS
entnehmen. Er beschreibt und gibt Empfehlungen zur Anpflanzung von Wein, 14 Obstbaumsorten
(dieselben wie im Capitulare, außer Lorbeer und Pinie), verschiedener Gemüsepflanzen, 13
Gewürzpflanzen, unter ihnen der echte Safran, neun Arzneikräuter (unter ihnen heute
wohlbekannte Würzkräuter: Petersilie, Koriander oder Liebstöckel). Schließlich werden auch
einige Zierpflanzen auf eführt: Rosa Hortensis, Lilium candidum, Yreos, Pyonia = Pfingstrose,
Sponsa solis = Sonnenkraut = Ringelblume, die schon damals bekannte Narzisse und die Raute.
Als Zierstrauch wurde der Buchs empfohlen.

Bisher hatten eigentlich nur Pflanzen Beachtung gefunden, die einen gewissen Nährwert hatten,
über Heilkräfte verfügten oder sonst irgend einen Nutzen brachten. Nun aber hatten sie auch
wegen ihrer Schönheit eine Daseinsberechtigung. Eine große Vielfalt von bisher unbekannten
Gewächsen aus römischen Gärten begeisterte zuerst Forscher und Botaniker, dann das gehobene
Bürgertum, schließlich hielt sie auch in die einfachen Gärten Einzug. Die Gärten wurden immer
prächtiger und die Pflanzenauswahl immer größer (besonders berühmt waren damals die Gärten
der Fugger in Augsburg).

Pflanzen, die in diesen Jahrhunderten aus dem mediterranen Raum eingeführt worden sind:
- der Goldlack oder Mainägele. Nach TERGIT war er im 9. Jahrhundert in den meisten
Klostergärten zu finden. »Man findet die Blume häufig auf den Altanen, dem Gemäuer und in den
öden Fensteröffnungen der rheinischen Burgruinen, und es sind leichsam die letzten Andenken und
Grüße der holden Burgfräulein und ehrbaren Schloßfrauen...«. Im Altertum verwendete man
dieses Kraut als Heilpflanze (man glaubte, daß sie Geschwüre heile; sie enthält ein gefährliches
Herzgift) sowie als Schmuck für religiöse Feste;
- das Singrün oder Immergrün ist ein typischer Siedlungsanzeiger;
- der Rittersporn. Die alten Griechen glaubten in seiner Knospe die Form eines Delphins zu
erkennen (enthält ein Alkaloid: Delphinin);
- die Königskerze oder Wollkrautgewächs, Arzneipflanze, schon vor den Römern benützt;
- der Lavendel, eine alte Duft- und Heilpflanze; -
- die heute noch weitverbreitete und viel benützte Pfingstrose oder Putenje, auch Kinneperlen
genannt, da ihre korallenartigen Samen zu Ketten aufgereiht den Kindern zum »Zahnen« gegeben
wurden. Im Capitulare erwähnt, wahrscheinlich schon vor 1500 in den Gärten angepflanzt
- der Silberling oder das Silberblatt, eine immer noch häufige Zierpflanze, deren Fruchtstände für
Trockensträuße benützt werden;
- der Spindelstrauch oder das Pfaffenhütchen, Zierstrauch mit giftigen Samen.

Um diese Zeit kamen aus den höher gelegenen Gebieten Europas:
- die Christrose, auch Schneerose oder schwarze Nieswurz genannt, eine frühere Heilpflanze, aus
der Niespulver gemacht wurde und die ihren Namen wegen ihrer Blütezeit im Winter um
Weihnachten erhielt;
- auch das Schneeglöckchen sowie das wohlriechende Veilchen, eine schon im Altertum bei
Griechen und Römern bekannte Arzneipflanze;
- der rote und purpurrote Fingerhut, eine Herzgift und Arzneipflanze, seit alters her in Kultur und in
England seit dem 11. Jahrhundert offizinell in Gebrauch und
- der hochgiftige Eisen- oder Sturmhut (Aconitin ist eines der stärksten Pflanzengifte überhaupt),
zählen zu den Garteneinwanderern vor dem 15. Jahrhundert.

Aus dem mittelasiatischen Raum stammt das Mailiebchen, Gänseblümchen, Tausendschön oder in
Schweden Priesterkragen genannt, eine ursprüngliche Heilpflanze, die früher größere Beliebtheit
genoß. Aus dem ostmediterranen Raum kamen um diese Zeit immer noch benutzte Heil- und
Würzpflanzen in die Gärten:
- die Kamille, Goldikraut, Sonnenaug' oder Bärmutterkraut
- die Stock- oder Bauernrose; bereits im Kräuterbuch des HIERONYMUS BOCK (1551) sind
Sorten beschrieben. Früher wurde aus der Sorte `Nigra' der rote Farbstoff Althein gewonnen und
zum Färben des Rotweins benutzt;
- die Zitronenmelisse oder Zitronenkraut (aus dem Griech. melissa = Biene - beliebtes
Bienenfutter). Es ist ein altes Heilmittel, da die Blätter ein zitronenähnlich duftendes ätherisches Öl
enthalten;
- der Majoran; evtl. könnte sich hinter dem im Capitulare aufgeführten Namen »Diptamnum« der
Majoran verbergen.

Aus Ostasien soll die Judenkirsche oder Lampionblume stammen. Sie wird bereits in der Physica
der Hl. Hildegard im 12. Jahrhundert erwähnt und im Jahre 1551 im »Kreuterbuch« des
HIERONYMUS BOCK auch abgebildet. Ihre Beeren sind genießbar und wurden früher für
Arzneien benützt. Die Taglilie und der Knöterich gehören zu den früheren Kulturbegleitern, die
ebenfalls aus dem ostasiatischen Raum stammen.

Der Fall von Konstantinopel und seine gärtnerische
Bedeutung

Der eigentliche Blumengarten enstand erst mit der Einfuhr der bunten und großblumigen
Zwiebelgewächse nach dem Fall von Konstantinopel (1553), denn die Türken waren große
Blumenfreunde und hatten in den Gärten Istanbuls die schönsten Blumen und Blütensträucher des
Orients heimisch gemacht. Als dann friedliche Beziehungen zum Abendland entstanden, kamen
allmählich die Prachtgewächse auch auf deutschen Boden. Durch dieses Ereignis eroberten
Tulpen, Kaiserkrone, Traubenhyazinthe, Hyazinthe und Ranunkel die Gärten Europas. Ebenso die
Tazetten, die Jonquillen und die weiße Narzisse aus dem Mittelmeerraum.

Obwohl die gelbe Narzisse auf den Wiesen des Hunsrücks, der Eifel und des Hohen Venns
heimisch ist, hielt sie erst zusammen mit den Neuankömmlingen Einzug in die deutschen Gärten.
Die Tulpe wurde 1560 eingeführt. Der Name wird von dem persischen Wort dulbend abgeleitet,
von dem die Bezeichnung für eine orientalische Kopfbedeckung stammt: Turban. Siebzig Jahre
nach ihrer Ansiedlung in Augsburg war sie schon über ganz Europa in verschiedenen Spielarten
verbreitet, die sich im folgenden Jahrhundert auf über tausend vermehrten.

In den Jahren 1632 bis 1640 verursachte sie in Holland eine der merkwürdigsten Formen des
Wahnsinns der europäischen Geschichte: Es entwickelte sich die »Tulpomanie«. »Der Holländer,
sonst ruhig und leidenschaftslos, wurde plötzlich wie von der Tarantel der Blumenmanie
gestochen... der ganze Verlauf dieser plötzlich sich einstellenden Volksneigung nur sehr
ausnahmsweise von einem poetischen oder idealen Gefühle beseelt war, sonst ein rein materielles
Ansehen gewann... Festtehend ist, daß die Tulpe auf den Märkten von Amsterdam, Harlem,
Utrecht, Leyden, Rotterdam und anderen Orten von 1634 bis 1637 einen Handelsartikel
ernstester Art ohne alle Romantik bildete«. Unzählige Anekdoten über den Tulpenirrsinn jener Zeit
sind bekannt. So wurden z.B. 1632 an einer Tulpenbörse »... für eine einzige Zwiebel der Sorte
Viceroy als Gegenwert: 2 Lasten Weizen, 4 Lasten Roggen, 4 fette Ochsen, 8 fette Schweine, 12
fette Schafe, 20 Hoft Wein, 4 Tonnen Bier, 2 Tonnen Butter, 1000 Pfund Käse, 1 Bett mit
Zubehör, 1 Paket Kleider und 1 silberner Becher gegeben. Zu einem Gesamtpreis von 2500
Gulden.« Für die wohl teuerste Tulpenzwiebel, eine Semper Augustus, wurden sogar 13.000
Gulden bezahlt. Es ist bemerkenswert, daß die Tulpe als ein Spekulahonsobjekt zum Gelderwerb
gedient hat. Aber schon im Frühjahr 1638 brach der ganze Tulpenschwindel zusammen. Die
Preise fielen von 5.000 auf 50 Gulden für die schönsten Arten, und somit war mancher Traum von
Reichtum zu Ende.

Nach dem großen Tulpenkrach gewannen die Blumenliebhaber für die Hyazinthe, auch Glöckle
oder sogar Weinkrügle genannt, mehr Interesse. Sie wurde erst 1596 in den Gärten eingeführt,
obwohl sie im Gegensatz zur Tulpe eine altbekannte Blume ist, die schon bei Homer vorkommt.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts waren besonders die gefüllten Sorten schon so hoch in der
Wertschätzung der »Blumisten« gestiegen, daß Beträge für sie gezahlt wurden, die nahe an die
Phantasiepreise der Tulpomanie heranreichten.

Mediterraner Herkunft, wahrscheinlich von der Balkanhalbinsel, ist einer der wichtigsten
Ziersáäucher der ländlichen Gärten. Von den Türken »Lilak« genannt wurde er 1560 in Wien
eingeführt und als »Türkischer Holler« bezeichnet. Erst im 19. Jahrhundert kam er zu dem Namen
Flieder. Von Wien aus verbreitete er sich in ganz Europa und »...man findet ihn von Italien und
Spanien bis Skandinavien und Rußland, vom Meeresstrand bis 1.200 m Höhe in den
Alpentälern...«. Der Flieder fand sogar als Heilmittel Verwendung: Frucht und Rinde als
Fiebermittel, die frischen Blätter sogar gegen Malaria. Die ätherischen Öle der Blüte dienen heute
noch der Parfümerie.

Aus dem westlichen Himalaya und dem Iran stammt die Kaiserkrone, die 1576 von L'Ecluse (=
Clusius) aus Konstaninopel nach Wien gebracht wurde. Im 16. und 17. Jahrhundert bildete sie
den Hauptschmuck der eleganten deutschen Gärten. Andere Zierpflanzen, die zu dieser Zeit ihren
Einzug aus dem Orient hielten:
- die Roßkastanie wurde 1588 von Clusius aus Konstandnopel eingeführt. »Den Namen erklärt
man daher, daß die Früchte den hustenden Pferden der Türken Heilung bringen«;
- der gelbe Frühlingskrokus. »Als deutsche Pflanze wird der Safran zum ersten Mal von
Hieronymus Bock erwähnt...« Nach von Bronsart war der »echte Safran« Crocus satinus im
Garten kaum vertreten, obwohl Deutschland vom 14. bis zum 16. Jahrhundert das Zentrum des
Safranhandels war. Er war ein hochgeschätztes Gewürz-, Farbstoff-und Arzneimittel;
- die Brennende Liebe, Lichtnelke oder Jerusalemi, seit 1561 in Kultur;
- die Jungfer im Grünen oder Schwarzkümmel;
- der Kirschlorbeer, der 1583 durch Clusius eingeführt wurde;
- der Roseneibisch;
- die Gartennelke, die sich rasch verbreitete, zuerst als Ersatzstoff für die echte Gewürznelke,
dann aber als beliebte Zierpflanze, als man im 17. Jahrhundert der Zwiebelgewächse überdrüssig
war.

Arten aus fremden Ländern

Das 15. und 16. Jahrhundert brachte eine Bereicherung der Gärten mit einer stets wachsenden
Blumenfülle aus der neuen Welt mit sich. Weitere Forschungsreisen in noch recht unbekannte
Gebiete brachten neue und seltsame Gewächse, die manche einheimische Zierpflanze aus den
Gärten verdrängte. Die ersten Ankömmlinge aus Amerika waren:
- die Sonnenblume, von den Spaniern 1569 aus Mexiko und Peru eingeführt;
- der Lebensbaum erfüllte den Traum eines »nicht sterbenden« Winterbaumes, eines ewigen
Lebens und fand daher vor allem in Friedhöfen Verwendung;
- die Sammetblume oder Studentenblume kam 1541 aus Mexiko, daher auch »indianische Nelke«
genannt. Der Name »Stinkerle« bezieht sich auf den strengen bis unangenehmen Geruch von
ätherischem Öl, das durch kleine Blattdrüsen abgegeben wird;
- die hundertjährige Aloe soll schon 70 Jahre nach der Entdeckung Amerikas nach Italien
gekommen sein. 1583 bewunderte man sie im Gewächshaus von Stuttgart;
- die Herbstaster, auch seit dem 16. Jahrhundert in Kultur;
- die Levkoje oder auch Damenveilchen genannt.

Auch verschiedene Nutzpflanzen fanden einen Platz im Garten:
- der Kürbis - es handelte sich hier um die wahrscheinlich älteste aller in Europa gezogenen
amerikanischen Nutzpflanzen, denn sie wurde um 1500 eingeführt (sie wurde bereits 1543 von
LEONHARD FUCHS in seinem Kräuterbuch abgebildet, zusammen mit Paprika und Mais);
- der Speisepfeffer oder Paprika, heute eine beliebte Gewürz- und Gemüsepflanze;
- der Mais, alte Kulturpflanze der indianischen Hochkulturen Amerikas;
- auch die amerikanische Erdbeere hielt jetzt Einzug Europa, aus deren Hybridisierung mit edr
europäischen Walderdbeere die heutzutage weitverbreitete Gartenerdbeere hervorkam (im
Altertum und Mittelalter wurden lediglich die wildwachsenden Beeren gesammelt).

Aus Südamerika kam außerdem die Gartenbohne, Fisole oder Schminkbohne. Kolumbus
erwähnte die Bohne schon in seinem ersten Reisebericht als Fexones oder Fexoes. In ihrem
Ursprungserdteil ist sie immer noch die wichtigste Komponente der Ernährung der
minderbemittelten Volksschichten.

Der Siegeszug der Kartoffel

Im 16. Jahrhundert stand die Kartoffel noch immer nur als Zierpflanze in den Gärten. »1596 erhielt
sie von C. Bauhin den Namen, welchen sie noch heute trägt: Solanum tuberosum esculentum, d.h.
eßbarer, knolliger Nachtschatten...«.

Auch sie gehört zu den alten Kulturpflanzen der indianischen Hochkultur; ihre Heimat befindet sich
in den kalten Höhen der chilenischen, peruanischen Anden. In Deutschland begann ihre
Anpflanzung als ausländisches Ziergewächs als Kuriosität in den kaiserlichen Gärten von Wien und
Frankfurt im Jahre 1588. Jahrzehntelang wurde sie vom Volk als Nahrungsmittel mißachtet. Durch
eine List Friedrichs des Großen (oder eines findigen Apothekers?) erfolgte ihre allgemeine
Verbreitung und Verwendung. Man erzählt, daß dieser ein großes Feld anpflanzen und streng
bewachen ließ, wodurch natürlich der Reiz bei der Bevölkerung entstand, auch von diesem
kostbaren Gut zu besitzen. Seitdem war sie die Retterin aus Hungersnöten, bei Mißwuchs der
Getreidesaaten und in den Kriegen. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts beherrschte sie die
Eßgewohnheiten in solchem Maße, daß ein schlechtes Kartoffeljahr in einem großen Teil Europas
Hungersnot herbeiführte. Durch die Kartoffel wurden früher hochgeschätzte Wurzelgewächse
verdrängt, wie z.B. die Rapunzel, der Pastinak oder die Zuckerwurzel. Auch das
südamerikanische Blumenrohr war schon des 16. Jahrhunderts im Garten des Laurentius Scholz
vorhanden.


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