Ich glaube manchmal, nicht nur diese gesamten Gewaltphantasien, die sich seit geraumer Zeit hier entladen, sondern auch die ihnen zugrunde liegenden sado-masochistischen Gelüste, könnten auf Traumatisierungen beruhen, die Bestrafungen wegen Verletzungen des Sexualtabus folgten. Es könnten aber auch Reflexe anderweitiger Internierungen dieses Tabus und der übrigen negativen Wertigkeit von Sexualität und sexueller Aktivität sein.
So wie der Masochist beispielsweise in seiner Unterwerfung, Demütigung, Fesselung und dem »Ausgeliefert-Sein« eine Rechtfertigung für das Zulassen sexueller Empfindungen erhalten könnte, die er sich ansonsten nicht zubilligen mag, so könnten die prima-facie sadistisch-kannibalistischen Schlachthofgeschichten eine groteske solche Rechtfertigung sein, sich mit der Körperlichkeit der jeweiligen »Schlachtopfer« einerseits lustvoll, andererseits »pflichtbewußt« und »professionell« zu befassen. Der Metzger, der einen Oberschenkel nach seiner Verwertbarkeit als Schinken taxiert, und ihn für gut befindet, ist nun mal in einer anderen Lage als derjenige, der sich aus offen zugebilligten sexuellen Motiven für diesen Körperteil interessiert.
Zieht man ferner in Betracht, daß sich Gewalt- und Zerstörungsphantasien oftmals auf ein den sonstigen Begierden unerreichbares Objekt zu richten pflegen, daß man neidvoll auch keinem anderen gönnen mag, so entsteht ein verhältnismässig plastisches Bild von denjenigen Menschen, die derartige Phantasien vor sich hertragen oder sich von ihnen angesprochen fühlen.
Hinzu kommt die Vorstellung, daß es sich bei diesen Schlachhofvorgängen ja nach dem ersten Augenschein nicht um die Schilderung sexueller Vorgänge dreht, sondern um eine »realistische« Darstellung verbrecherischer oder »perverser« Abläufe, von denen man sich sowohl als Autor, wie auch als Konsument verhältnismässig leicht distanzieren kann. Darüber hinaus ermöglichen es diese Umstände, das jeweilige phantastische Bild fortzuspinnen, in dem man ein idealisiertes »Ich« als Retter der jeweiligen Opfer ins Felde führt.
Damit kann ich natürlich falsch liegen - Psychologie ist ein gefährliches Hobby.
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