Predigt:
„Selig sind, die aufgeben – und trotzdem bleiben.“
(Evangelische Kirche von Westfalen, Gottesdienst zum Sonntag Rogate)
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Liebe Gemeinde,
wir sprechen viel von Hoffnung.
Aber heute möchte ich mit Ihnen über Aufgeben sprechen.
Ein Wort, das nicht in Predigten vorkommt.
Ein Wort, das in unserer Kultur nicht erlaubt ist.
Wer aufgibt, hat verloren.
Wer aufgibt, gilt als schwach.
Als zynisch.
Als kaputt.
Aber sehen wir hin:
In dieser Welt geben Menschen auf.
Nicht, weil sie nichts mehr wollen.
Sondern weil sie lange alles versucht haben.
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Jesus sagt in der Bergpredigt:
„Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit,
denn sie sollen satt werden.“
Er sagt nicht:
„Selig sind, die es schaffen.“
Er sagt:
„Selig sind, die es noch wollen.“
Was, wenn das Aufgeben kein Scheitern ist –
sondern ein stilles, ehrliches Eingeständnis:
Ich kann nicht mehr alleine.
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Die Bibel kennt viele, die aufgeben:
Elia, der unter dem Ginsterstrauch liegt und sagt:
„Es ist genug, Herr. Nimm mein Leben.“
Hiob, der nichts mehr erklären kann.
Petrus, der dreimal leugnet und dann weint.
Jesus selbst, der am Kreuz ruft:
„Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Und doch:
Gott lässt sie nicht fallen.
Nicht, weil sie stark sind.
Sondern weil sie noch da sind.
Weil sie nicht weggelaufen sind.
Weil sie im Zweifel, in der Müdigkeit, im Schweigen noch atmen.
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Liebe Gemeinde,
vielleicht sind die, die aufgegeben haben,
nicht am Rand der Gesellschaft –
sondern an der Schwelle Gottes.
Nicht weil sie alles glauben.
Sondern weil sie nichts mehr vorspielen.
Vielleicht ist der Satz „Ich kann nicht mehr“
eine heiligere Form des Gebets
als viele Lieder, die wir auswendig singen.
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Also sagen wir heute nicht:
„Mach weiter!“
Sondern:
„Du bist da – und das genügt.“
Denn die Gnade Gottes hängt nicht an deiner Leistungsfähigkeit.
Sie kommt auch dann,
wenn du auf dem Boden sitzt
und nicht mehr weißt, woran du glauben sollst.
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Amen.
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