Meinungen entziehen sich jedem Urteil. Sie sind Privatsache wie Vorlieben, Geschmack, Gefühle, Ängste, Lüste und Träume. Die Ursache von nahezu jedem menschengemachten Leid auf der Welt ist die allzu menschliche Ansicht, die eigene Meinung sei selbstverständlich wahrer und wertvoller als die der anderen. Dies ist der eigentliche Keimzeitpunkt für Haß. Besonders gefährlich ist eine Meinung, die nicht aus eigener Reflexion entstanden, sondern von anderen übernommen worden ist. Da es eine Schwäche ist, Meinungen zu übernehmen, wird jeder, der es tut, gut aufpassen, daß ihm nicht die Argumente dafür ausgehen, warum er nun gerade diese Meinung übernommen hat. Jeder Idealismus beinhaltet diese Falle. Die Meinungsfalle. Gruppen von Menschen übernehmen unreflektierte Meinungen und kommen nicht mehr davon los, weil sie sich dann vor dem Rest der Gruppe lächerlich machen oder sich ganz ausgrenzen würden. Innerhalb der Gruppe herrscht hingegen hohe Kohärenz. Die Mitglieder geben sich gegenseitig Halt, indem sie die Gruppenmeinung immer wieder sich gegenseitig bestätigen: Ja, so ist es. So hat es Marx gesagt. So steht es in der Bibel. So steht es im Koran. Dieses gegenseitige Bestätigen ersetzt das eigene Nachdenken. Warum soll ich auch über eine Meinung nachdenken, wenn ich weiß, daß sie akzeptiert wird und also wahr sein muß? Kritisch wird es dann, wenn die Gruppe einer anderen Gruppe gegenüber steht, die in gleicher Weise funktioniert. Es endet in einer Spirale von Gewalt und Gegengewalt. Nachdenken wird generell ausgeschlossen. Weil man ja die einzig wahre Meinung hat - und die jeweils andere Gruppe folglich die falsche, schlechte, böse Meinung haben muß. Traurig, traurig, traurig. Aber alles nichts Neues. Man weiß das seit hunderten von Jahren. Und keiner kann was dagegen tun. Solange es Institutionen gibt, die Kinder für ihre Meinung gewinnen, wird sich daran nichts ändern.