Als ich vierzehn war, fand ich auf einer Radtour eine Geldbörse. Ich schaute rein: Kein Geld drin aber Ausweis und Führerschein. Der Besitzer wohnte in einem Dorf ungefähr 10 Kilometer weit weg. Ich bin also losgestrampelt und habe dem Typen seinen Geldbeutel hingebracht. Ich dachte, er sagt »Danke«. Denkste! Er machte mich an, was ich mit dem Geld gemacht hätte und ob ich mir davon auch was Schönes gegönnt hätte.
Ich stotterte nur herum und sagte, dass ich den Geldbeutel so gefunden hätte, aber er schrie nur herum. Ich war so fertig, dass ich beinahe geheult hätte. Wie konnte er das nur machen? Es ging mir tagelang nicht aus dem Sinn. Allmählich baute sich in mir eine ungeheure Empörung auf und die wurde im Laufe der Tage zu blankem Hass auf diesem Mann. Er wohnte in einem sauteuren Haus mit Mercedes in der Garage und kommt daher und macht einen ehrlichen Finder an!
Ich radelte einige Tage lang nach der Schule hin und observierte ihn. Er machte viel Gedöns um seinen parkähnlichen Garten und dann grub er vorm Haus den Vorgarten aus, brachte neuen Bodengrund auf und säte neuen Rasen. »Na dir zeig ichs!« dachte ich. Ich raste los und kaufte in einem Geschäft Samen. Am nächsten Tag war Sonntag und ich dachte, die pennen alle lange genug. Ich also saufrüh aus den Federn, da hin geradelt und die Samen flogen nur so über den frisch eingesäten Rasen.
Von da an kontrollierte ich regelmäßig, immer schön aus der Ferne, damit er mich nicht sah. Der »Rasen« entwickelte sich schnell zum absoluten Renner. Die ganze Nachbarsblase stand da und machte blöde Witze, als da Salat, Edelwicken, farbige Zaunwinden und Mohrrüben und allerlei anderes Kraut hochspross und der Typ, der mich so miserabel behandelt hatte, platzte fast vor Wut. Ich freute mich diebisch.
Mittlerweile bin ich über Vierzig. Aber nun kommt das Ekelhafte: Ich konnte nicht locker lassen! Alle paar Jahre wieder radle oder spaziere ich bei dem miesen Sack vorbei und werfe Samen in sein Grundstück oder ich schmeiße Unkrautvernichter in seine Gartenbeete. Dass ich damals meine kleine Rache wollte, kann ich verstehen, aber ich kann mich selber nicht leiden, dass ich das alle zwei bis drei Jahre immer wieder tue. Ich habe seither des öfteren erlebt, wie er da steht und sich ärgert oder den Kopf schüttelt. Das tat mir unheimlich leid aber im Jahr drauf habe ich es wieder gemacht. Ich habe mir nun vorgenommen, damit aufzuhören. Seit vier Jahren habe ich ihn in Frieden gelassen, radle aber immer noch regelmäßig dort vorbei. Er erkennt mich natürlich nicht mehr, ich ihn aber wohl und ich schaue zu wie er in seinem Garten rumtappt und argwöhnisch schaut.
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