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Little Fucker schrieb am 18.8. 2002 um 10:20:34 Uhr über

Marzahn

Hier bin ich quasi aufgewachsen.... Betonwüste am Rande Berlins, aber ich fands trotz allem schön. Die Häuser waren zwar kein Stück individuell und wenn der Fahrstuhl ausfiel und man das Glück hatte, im 11.Stock zu wohnen, hatte man auch Freude... Nicht zu vergessen der soziale Abstieg, den viele Familien Anfang der Neunziger Jahre durchmachen mussten. Einige meiner Nachbarn hatten 3 Kinder und 5 Hunde (oder umgedreht), lebten von Sozialhilfe und waren schon früh am Morgen stark alkoholisiert. Es war normal, extreme Sozialfälle gab es in jedem Haus und irgendwie verwundert es mich bis heute, dass keiner meiner Freunde bzw deren Eltern abgestürzt ist.
Auch wenn man immer so schlecht über Plattenbausiedlungen spricht: die Wohnungen waren wirklich gut, außerdem hatte man niemals einen weiten Weg. Die Kaufhalle war vor der Haustür, meine Freunde wohnten nicht mehr als 500 Meter entfernt und zwei Straßenbahnstationen weiter gabs ne iemlich große Einkaufspassage mit Bibliothek und ähnlichem... Meine Schule war auch nicht weit weg und gleich dahinter befand sich das, was wir die Wuhle nannten. Die Wuhle ist ein total kleiner Fluss und wir nannten die unberührte Natur drumrum auch so. Ganz so unberührt war sie nicht, es standen überall Strommasten (weshalb wir auch bei Regen und Sturm nicht dahin durften, die Leitungen hätten runterkommen können) und viele Leute ließen auch einfach ihren Sperrmüll oder alte Trabis da liegen, aber für uns (wir waren alle nicht mal 10 Jahre alt) war es wirklich n schöner Ort. Im Winter sind wir da rodeln gegangen oder auf dem Eis von nem Abwassertümpel rumgeschlittert, auch wenn es uns eigentlich verboten war, aber wer hält sich schon dran...
Am 20.April hab ich mich nicht vor die Haustür, weil wirklich nicht wenige Faschos in den Hauseingängen rumstanden und Hitlers Geburtstag »feierten«. Sie taten mir nichts, aber ich hatte doch Angst vor ihnen... An den restlichen Tagen des Jahres fielen mir aber auch nicht überproportional viele Faschos auf, auch wenn das in den Medien immer so dargestellt wird.
1997 - ich war 11, zogen wir dann aus Marzahn weg. Jedes Mal, wenn ich wieder hinkam, sah es ein Stück verwahrloster aus und weniger alte Freunde von mir wohnten noch da. Inzwischen sind so gut wie alle mit denen ich als Kind befreundet war woanders hingezogen. In meinem alten Haus mit 31 Wohnungen sind gerade noch 3 bewohnt... Es gibt echt wenige Gegenden die noch heruntergekommener sind. Und trotzdem ist es möglich, an diesem Ort ne verdammt gute Kindheit zu haben.


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