Im Jahr 1909 lernte die damals zwölfjährige Martha Marek unter starker Patronanz ihrer Mutter den damals 62jährigen Pensionisten Moritz F. kennen. Er verfiel prompt den jugendlichen Reizen des anmutigen Mädchens, worauf er vom geschickt agierenden Team Mutter & Tochter wegen Vergewaltigung Minderjähriger erpresst wurde. Man einigte sich: Die kleine Martha zog in seine Villa nach Mödling, erhielt Schmuck und Apanage und wurde vom alten Mann zur Universalerbin erkoren.
Nach dem 1923 erfolgten Tod ihres Gönners holte sich die engelhafte Gestalt ihren um fünf Jahre jüngeren Ehemann Emil Marek in die Villa, um mit ihm die nächsten zwei Jahre in Saus und Braus zu leben. Als das geerbte Geld verjubelt war, schritt Martha Marek mit erstaunlicher Konsequenz zur nächsten Tat: Sie versicherte am 11. Juni 1925 ihren Gatten gegen Invalidität. Einen Tag später trennte sich ihr Gatte beim Holzhacken den linken Unterschenkel ab. Die Versicherung verweigerte die Zahlung, es kam zum Prozeß.
In dessen Verlauf wurde bekannt, daß Herr Emil Marek mit insgesamt drei Axthieben seinen Unterschenkel abspaltet hatte, zudem waren Beamte der Prosektur von Martha Marek bestochen worden, um das Attest der Ärzte über die drei Axthiebe zu vertuschen. Martha Marek gelang es jedoch, durch ihre umgängliche und zuvorkommende Art sowie durch ihr bildhübsches und wunderschönes Aussehen - Felix Salten verwendete für die Blondgelockte sogar den Ausdruck »Engel« -, die Öffentlichkeit und die Gerichtssaalreporter für sich einzunehmen. Allgemein war der Eindruck vorherrschend, da werde eine arme und unschuldige Frau von einer gewinnsüchtigen Versicherung bedroht und betrogen. Schlussendlich wurde die Versicherung zur Zahlung verurteilt.
Nach fünf Jahren war auch dieses Geld verpraßt. Es erfolgte der gesellschaftliche Abstieg der Martha Marek, die 1932 mit einem verkrüppelten Mann sowie zwei Kindern ein Schrebergartenhaus im Westen Wiens bewohnte.
Auf den gesellschaftlichen Abstieg reagierte Martha Marek erstaunlich doppelbödig. Einerseits begann sie, ihrem verkrüppelten Ehemann, den sie als Last empfand, Rattengift einzuträufeln. Sechs Monate lang siechte er mit Magenkrämpfen und Lähmungserscheinungen vor sich hin, ehe der Tod ihn erlöste. Ein ähnliches Leiden widerfuhr ihrer kleinen Tochter, die zwei Monate nach ihrem Mann verschied. Ihr kleiner Sohn wurde hingegen in ein Spital überstellt, wo er sich allmählich wieder erholte. Anderseits nahm sie eine Tätigkeit als Gesellschafterin und Pflegerin bei ihrer begüterten Großtante Susanne Löwenstein auf. 1934 änderte die reiche Großtante ihr Testament und bestimmte Martha Marek zur Alleinerbin. Sechs Monate danach verstarb sie mit schweren Magenkrämpfen und Lähmungserscheinungen.
Durch die Erbschaft wieder mit reichlich Kapital ausgestattet, mietete Martha Marek eine Villa in Hietzing, lebte auf großem Fuße und holte sich ihrerseits eine Gesellschafterin, eine ärmliche Schneiderin namens Felicitas Kittenberger ins Haus. Für die neue Gesellschafterin löste Martha Marek eine hohe Lebensversicherung, dann griff sie zum Rattengift, bis nach mehreren Monaten auch Frau Kittenberger unter qualvollen Leiden verschied. Das Merkwürdige an der Mordserie war, daß Martha Marek alle einfachen und praktikablen Lösungen kategorisch ausschloss. Um ihren Mann loszuwerden, hätte sie eine Scheidung beantragen, um ohne Kinder zu leben, hätte sie die Kinder in eine Verwahrungsanstalt geben können. Nichts von alledem: Sie entschied sich für die endgültigste und allzeit absolute Lösung: Mord.
Erst die hartnäckigen Nachforschungen des Sohnes der Frau Kittenberger hatten Erfolg: Nach der Exhumierung seiner schon begrabenen Mutter und einer chemischen Untersuchung entdeckte man das Rattengift Zeliopaste. Im folgenden Prozeß enthüllten die Ermittlungsbehörden die weiteren Morde der Martha Marek. Die Meinung der Öffentlichkeit kippte total, die vielen mitleidigen Verehrer mutierten zu gnadenlosen Abrechnern. Zudem brachten die Nazis - wir sind bereits im Jahr 1938 - massiv die halbjüdische Herkunft des gefallenen Engels ins Spiel.
Martha Marek wurde im April 1938 zum Tode verurteilt. Im Dezember 1938 wurde sie im Hof des Wiener Landesgerichts durch das Fallbeil hingerichtet. Im 20. Jahrhundert war sie somit die erste Frau, deren Todesurteil vollstreckt wurde.
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