Mamaküsser

Ich mache mir keine echte Sorge um meine Seele. Gestern nachts, ich war mit den öffentlichen Linien unterwegs und beim Umsteigen vom Bus in die Bim.
Müde fühlte ich mich ohne guten Grund, denn ich hatte mit all dem Alltagsaufwand auch ein Stück zum Vorlesen ins Reine gebracht und das noch rechtzeitig.
Auf einer der Wartebänke wäre noch ein Platz frei gewesen. Dort saß eine Frau mittleren Alters, beim Hingehen konnte ich es erkennen.
Traurig war ich sowieso und was ich jetzt sicher nicht wollte, war dazu auch noch angeekelt werden.
Dass ich bislang wenig Erfolg für mich habe, weiss ich auch ohne Bestätigung meiner Mitwelt.
Als ich vorbeiging um ein Stück weiter stehenzubleiben, blickte die Frau auf und sah mir in mein Gesicht.
Dann drehte sie ihren Kopf zur Seite und sagte, sie hätte eine Knackwurst in Mistelbach vergessen. Weil sie in die entgegengesetzte Richtung von mir schaute, konnte ich nicht ganz verstehen was sie sagte.
Dann stand sie rasch auf, stellte sich nahe hinter mir in meinen Rücken und flüsterte mit kaum hörbar tiefer Stimme: Weiche Satan.
Ich wunderte mich bloß aber reagierte nicht.
Eine Frau halt, die etwas mitteilen will und sich mir nicht mitteilen kann, wenigstens nicht im Moment.
Sie ging an meine Seite und sagte wieder: Ich habe eine Knackwurst vergessen in Mistelbach. Jetzt liegt sie im Mistkübel. Dabei sah sie mir in das Gesicht und lächelte mich offen an.
Ich lächelte distanziert zurück. Ich mag keine Knackwürste und wo Mistelbach ist weiß ich nicht. Burgenland, kann sein.
Sie ging ein Stück an die Gehsteigkante und sah nach der Strassenbahn.
Die Strassenbahn kam und die Leute stiegen aus und ein.
Ich stieg auch ein und setzte mich ein paar Sitzreihen weiter.
Ich habe eine Knackwurst in Mistelbach vergessen, sagte die Frau wieder laut . Ein paar Umstehende lachten. Sie lachte mit ihnen.
Eine Knackwurst, sagte sie. Jetzt liegt sie im Mistkübel.