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kiki schrieb am 20.7. 2009 um 12:18:46 Uhr über

Loriot

»Herren im Bad« (Loriot [Vicco von BÜLOW])

(Zwei schon etwas ältere Herren sitzen sich in einer Badewanne gegenüber)

M-L: Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ich wäre jetzt ganz gerne allein.

Dr.K.: Wer sind Sie denn überhaupt?

M-L: Mein Name ist Müller-Lüdenscheidt.

Dr.K.: Klöbner, Doktor Klöbner.

M-L: Angenehm.

Dr.K.: Angenehm.

M-L: Können Sir mir sagen, warum Sie in meiner Badewanne sitzen?

Dr.K.: Ich kam vom Ping-Pong-Keller und hatte mich in der Zimmernummer geirrt. Das Hotel ist etwas unübersichtlich.

M-L: Aber jetzt wissen Sie, dass Sie in einer Fremdwanne sitzen und baden trotzdem weiter!

Dr.K.: Von Baden kann nicht die Rede sein, es ist ja kein Wasser in der Wanne.

M-L: Als ich das Bad betrat, saßen Sie im warmen Wasser.

Dr.K.: Aber Sie haben es ja wieder abgelassen.

M-L: Weil Sie es eingelassen haben, Herr Doktor Klöbner. In meiner Wanne pflege ich das Badewasser selbst einzulassen.

Dr.K.: Na, dann lassen Sie's doch jetzt ein!

M-L: Mein Badewasser lasse ich mir ein, wenn ich es für richtig halte.

Dr.K.: Gewiss, natürlich.

(Dr. K. pfeift verlegen)

Dr.K.: Es sitzt sich recht kühl, einfach so in der Wanne.

M-L: Ich sitze gern mal ohne Wasser in der Wanne.

Dr.K.: Ach.

M-L: Was heisst »ach«?

Dr.K.: Ach. Sie sagten, dass Sie gerne ohne Wasser in der Wanne sitzen und ich meinte »ach«.

M-L: Aha.

Dr.K.: Ich hätte auch »aha« sagen können, aber ich wollte meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, dass Sie es vorziehen, ohne Wasser in der Wanne zu sitzen.

M-L: Herr Doktor Klöbner, ich leite eines der bedeutendsten Unternehmen der Schwerindustrie und bin Ihnen in meiner Badewanne keine Rechenschaft schuldig.

Dr.K.: Nein, nein.

M-L: Ich entscheide persönlich, ob ich mit Wasser bade oder ohne.

Dr.K.: Ja, ja.

M-L: Im übrigen sagte ich nur ...

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt ...

M-L: Bitte lassen Sie mich ausreden. Ich sagte, dass ich, wenn es die Situation erfordert, durchaus in der Lage wäre, auch mal ein Wannenbad ohne Wasser zu nehmen.

Dr.K.: Ja, ja.

M-L: Und die Entscheidung darüber, ob ich mein Wannenbad mit oder ohne Wasser zu nehmen habe, lasse ich mir von niemandem aufdrängen.

Dr.K.: Nein, nein.

M-L: Auch von Ihnen nicht, Herr Doktor Klöbner.

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt, es wäre ja immerhin denkbar, dass es gewisse Argumente gäbe, die dafür sprächen, das Wasser jetzt einlaufen zu lassen.

M-L: Wie wollen Sie das beurteilen?

Dr.K.: Mein Gott, ich bade ja auch nicht zum ersten Mal!

M-L: So?

Dr.K.: Und nach meiner Erfahrung ist eben ein warmes Wannenbad mit Wasser zweckmäßiger als ohne.

M-L: Das ist Ihre ganz persönliche Meinung, Herr Doktor Klöbner. Aber man darf ja wohl noch anderer Ansicht sein.

Dr.K.: Ach, was.

M-L: Sie können Sich in meiner Wanne eine eigene Meinung überhaupt nicht leisten.

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt!

M-L: Herr Doktor Klöbner! Ich lasse jetzt das Wasser ein, wenn Sie mich höflich darum bitten.

Dr.K.: Bitte.

M-L: Höflich.

Dr.K.: Höflich.

M-L: Na, also.

Dr.K.: Was machen Sie da?

M-L: Ich lasse etwas kühleres Wasser ein.

Dr.K.: Das ist sehr aufmerksam, aber ich hätte doch gerne noch eine Kleinigkeit von dem Heißen.

M-L: Wenn ich jetzt einen Schuss von dem Kalten dazunehmen könnte.

Dr.K.: Das war eine Idee zu viel.

M-L: Ach.

Dr.K.: Ich glaube, noch ein paar Tropfen Heißes und man könnte sich einigen. Geht es so?

M-L: Oh, ja. Vielen Dank.

Dr.K.: Oh, bitte sehr.

M-L: Die Ente bleibt draußen.

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt!

M-L: Die Ente bleibt draußen!

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt, ich bade immer mit dieser Ente.

M-L: Nicht mit mir.

Dr.K.: Ich kenne Sie ja erst seit heute.

M-L: Wenn Sie die Ente hereinlassen, lasse ich das Wasser heraus.

Dr.K.: Das sind wohl die Erpressermethoden Ihrer Gangsterfirma.

M-L: Herr Doktor Klöbner!

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt!

M-L: Akademiker wollen Sie sein? Ha.

Dr.K.: Also, was ist jetzt?

M-L: Ich lasse das Wasser heraus, wenn Sie die Ente hereinlassen.

Dr.K.: Ich nehme meine Ente herein.

M-L: Wo ist der Stöpsel?

Dr.K.: Sie sitzen drauf. Wissen Sie eigentlich, dass viele Menschen überhaupt kein Bad besitzen?

M-L: Ach, Sozi sind Sie wohl auch noch?

Dr.K.: Herr Müller-Lüdenscheidt!

M-L: Herr Doktor Klöbner! Also lassen Sie die Ente in Gottes Namen herein.

Dr.K.: Nein, mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht.

M-L: Sie lassen sofort die Ente zu Wasser!

Dr.K.: Ich denke nicht daran.

M-L: Dann tauche ich jetzt so lange, bis Sie die Ente zu Wasser lassen.

Dr.K.: Bittesehr ...

M-L: Es ist mir ernst! Ich zähle bis drei. Eins, zwei, drei ... Hmmmmm ...

Dr.K.: Da sind Sie ja schon wieder.

M-L: Jawohl.

Dr.K.: Passen Sie mal auf!

M-L: Herr Doktor Klöbner? Hören Sie? Wenn Sie nicht sofort auftauchen, verlasse ich die Wanne. Die Luft anhalten kann jeder.

Dr.K.: Was sagen Sie nun?

M-L: Sie langweilen mich.

Dr.K.: Aber ich kann länger als Sie.

M-L: Es gibt Wichtigeres im Leben.

Dr.K.: Was denn?

M-L: Ehrlichkeit, Toleranz ...

Dr.K.: Ja ...

M-L: Mut, Anstand ...

Dr.K.: Ja ... Ja ...

M-L: Hilfsbereitschaft ...

Dr.K.: Ja ...

M-L: Tüchtigkeit, Zähigkeit ...

Dr.K.: Ja ...

M-L: Sauberkeit ...

Dr.K.: Aber ich kann länger als Sie.

M-L: Es kommt auf den Charakter an.

Dr.K.: Aber ich kann länger als Sie.

M-L: Und das glaube ich Ihnen nicht.

Dr.K.: Dann tauchen wir jetzt gleichzeitig.

M-L: Wie Sie wünschen.

Dr.K.: Dann werden wir's ja sehen.

M-L: Das werden wir sehen.

Dr.K.: Ich habe schon ganz verschrumpelte Finger.

M-L: Ich auch.

Dr.K.: Also. Eins, zwei ...

M-L: Drei ... Hmmmmm ...

Ist hier jemand? Hallo? Entschuldigen Sie, ist das hier Zimmer 107?



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