Ich komme momentan bei `Tagebuch eines Diebes` einfach nicht weiter, darum habe ich mit Kerstin Ekman`s `Skord von Skuleskogen` angefangen. Die ersten 63 Seiten sind das Beste was ich seit einigen Monaten gelesen habe.
Neue Zürcher Zeitung
Fabulierkunst
Kerstin Ekmans Roman
Lange war in der schwedischen Literatur nicht mehr von Trollen die Rede. In Kerstin Ekmans Roman steht einer im Mittelpunkt, der – von Versprechen nach etwas Gutem, Pfannkuchen nämlich, angelockt – sich den Menschen nähert und ihre Welt mit gelbschimmernden Augen neugierig besieht. Skord heisst er zu Beginn des Romans, als noch Riesen im Skulewald Holz schlagen, Kristian Skord nennt er sich beim Alchemisten Bosonius, wo er als jugendlicher Famulus seinen Dienst versieht, Kristiern Skord ist sein Name als Feldscher zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges, und Kristiern Schordenius nennt er sich zweihundert Jahre später als Arzt und Hypnotiseur, inzwischen ein alter Mann. Skord – in seinem Namen klingen «skog», Wald, und «ord», Wort, an – wandelt sich ebenso langsam zum Menschen, wie er altert. Seine Fähigkeit, in die Gestalt des Raben zu schlüpfen und über den Baumwipfeln Ausschau zu halten, verliert sich; dafür lernt er lesen und schreiben, mehrere Sprachen, allerlei Künste und Fertigkeiten. Doch das allein macht das Menschsein nicht aus. Bodel, das Bettlermädchen, das sich Skords um «Jesu Christi Barmherzigkeit willen» annimmt, und Xenia, von der es heisst, dass sie zwölf Jahre beim Nöcken im Teich gewesen sei, und die von Skord geliebt wird, offenbaren, dass das verheissungsvolle Versprechen von etwas «Gutem» nicht nur über eine leibliche Ausprägung verfügt. Skord stirbt erst, nachdem er Liebe und Trauer erfahren hat – im Skulewald, wo er hergekommen ist und wo er sich kurz vor dem Tod vergeblich an seinen Namen zu erinnern versucht.
In einer der vielen Geschichten, die Kerstin Ekman zum Roman verwebt, übergibt eine alte Frau Skord ein Spiel Tarotkarten. Mit dem Narren hat Skord einiges gemeinsam: «Das ist einer, der zwischen den anderen aus und ein schlüpft. Er ist mächtiger als sie, denn sein ist keine Macht – nur die Macht, alles auf den Kopf zu stellen.» Flink wie das Hermeling, das Skord zurück in den Wald führt, bewegt sich Skord zwischen Bettlern, bigotten Pfarrern, Magiern, gefallenen Frauen, Soldaten und durch ein Gewimmel von wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Ereignissen, die nicht auf Geschichtsschreibung abzielen, sondern der Fabulierkunst ein Lob aussprechen.
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