"Ich habe hier schließlich noch einen geschlechtsspezifischen Geruch zu erwähnen, der vielleicht nur selten in deutlicher Weise beobachtet werden kann, dafür aber in verschiedener Hinsicht so beachtenswert ist, daß ich ihn nicht unerwähnt lassen will, zumal er, meines Wissens, noch nicht beschrieben ist. Es handelt sich um drei Frauen, die mir — unabhängig voneinander — mitgeteilt haben, daß ihr Atem einige Zeit (1/4tel bis 1 Stunde) post coitum anfing, einen leichten Spermageruch aufzuweisen, der während ein bis zwei Stunden bestehen blieb. Ihnen selbst kam dieser Geruch nicht zum Bewußtsein, aber ihren Ehemännern war er aufgefallen. In zwei der Fälle gab das manchmal Veranlassung zur Wiederholung des Geschlechtsaktes. Der eine dieser Männer erklärte sich (und mir) diese Tatsache so, daß die Beimischung eines leichten, von ihm herstammenden Geruches zu dem persönlichen Atemduft seiner Frau und die dadurch sich mit ihm bekundende völlige Durchdringung des geliebten Wesens mit dem Produkt seiner Liebesbetätigung, zusammen mit der aufgefrischten Erinnerung an die vorhin durchlebte Seligkeit ihn dermaßen beglückte und entzückte, daß er von neuem in Ekstase kam.
[...] An der Richtigkeit der Beobachtung selbst ist nicht zu zweifeln; ich habe sie in zwei Fällen nachgeprüft und den typischen Geruch der Ausatmungsluft feststellen können; der dritte wurde mir von einem Kollegen bestätigt. Weitere Wahrnehmungen dieser Art sind mir — bis auf einen zweifelhaften Fall — nicht gelungen. Die Gelegenheit bietet sich nicht oft, weil man, der Schwäche des Geruchs wegen, die Ausatmungsluft in vollem Strome, unmittelbar vor dem Munde, prüfen muß, und es sich dazu um eine heikle Frage handelt."
'Die vollkommene Ehe — Eine Studie über ihre Physiologie und Technik' von Henry van der Velde, 38. Auflage 1929, S. 31–32
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