Wenn du zum sechzigsten Geburtstag einer Esoterikerin eingeladen wirst, die als erstes dein Geschenk, eine arabische Schmuckdose, mit Hilfe einer Art Telefonkarte umkreist, um sie von 'alten Energien' zu reinigen, wie reagierst du? Und wenn sie dir erzählt, dies mache sie nach jedem Einkauf mit ihrem Wechselgeld, und fast alle Gäste pflichten ihr bei? Lauthals lachen oder die Gesellschaft verlassen, oder gar beides? Ich entschied mich für den harten Weg und blieb. Es wurde alles noch viel grusliger, da war dann die Rede von Lichtarbeit, Erdarbeit, Seelenarbeit, ein deutsch raunendes Arbeitslager für Astralkörper. Eigentlich ist sie sonst ganz nett. Sonst, das heißt allein mit mir und unseren Hunden auf nächtlichen Gängen, wenn sie von ihrem Scheidungstrauma erzählt (am Tag, als ihr Mann auszog, sprach sie zum ersten Mal mit den Engeln) oder die Leiden ihres uralten Autos veranschaulicht. Aber in diesem Zirkel der Adepten wurde es wirklich aberwitzig. Ich schwieg jedoch zu all dem geistheilerischen und rutengängerhaften Salbadern, schon, weil es ja ihr Geburtstag war und ich ihre Nervosität merkte, in ihrer sonst so einsamen Wohnung plötzlich zwanzig liebe Freunde zu haben, diese Esoteriker sind ja nur von lieben Freunden umgeben. Naja, selber schuld, wenn sie meint, sich in die Schwingungen jedes einzelnen Gasts so reinknieen zu müssen. Immerhin einmal konnte ich punkten, als ich nämlich die gutbestückte Käseplatte zunächst zum Schein mit den Worten ablehnte, wenn irgendein Nahrungsmittel dieser Welt aus alten Energien bestünde, dann sei es doch wohl Käse, doch der kurze losgetretene scholastische Disput verebbte nach kurzem in den Kau– und Schluckgeräuschen der ausgehungerten Lichtkinder.
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