"Ich habe gewiß nur alle Dinge in der Welt aus der Entfernung angesehen, habe sie nie angerührt, daß sich eine Falte zurückschlüge, die mir etwas enthüllte.
Ich habe es einmal getan. Ich fand irgendwo am Wege einen toten Maulwurf, der sah unendlich weich aus. Ich bückte mich nach ihm, um seine Bauchseite anzusehen, auf die ich neugierig war. Aber als ich das Tier anrührte, krochen Leichenwürmer hervor - und der Bauch war eine Höhlung voller verwesender Eingeweide.
Später habe ich dann nichts mehr hinter dem Antlitz der Dinge gesucht. - Ich bin entsetzlich einsam gewesen, und hin und wieder kam mir das Verlangen, mich zu verlieben, ich habe dann irgendwelche Frauen angeschaut; doch habe ich sie niemals geküßt, weil ich fürchtete, lüstern zu werden - und entkleiden hätte ich sie nicht können. - Am Ende ist ihr Leib voll Leichenwürmer gewesen - und das ist eben sehr unschön. - Man hätte sich vielleicht daran gewöhnen können, immer mit faulenden Dingen umzugehen; aber ich hatte stets ein gewisses Schönheitsgefühl. - Ich achtete darauf, daß mein Leib stets sauber war und niemals fett, damit, wenn mich der Tod überraschte, ich nicht gleich zerplatzte wie eine Tonne gährenden Inhalts – "
Ich machte eine Fratze, Paul sah mich betroffen an und würgte mit Ekel an meinen Worten.
»Ich bin niemals an Badeplätze gegangen, wo irgendwelche dicken Männer ins Wasser stiegen. -[«]
Hans Henny Jahnn: Ugrino und Ingrabanien Heft V
Frühe Schriften S. 1246
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