Im Rahmen meiner ambulanten Psychotherapie ist es nötig, dass ich einen Lebenslauf schreibe. Zwar konnte ich noch nie einem blinkenden Cursor widerstehen, aber dennoch habe ich Bedenken...
Mein Therapeut wird nun nämlich erfahren, wie verkorkst, abnorm und schräg ich bin. Genau DAS wollte ich doch immer vermeiden! Nie sollte jemand erfahren, was ich heimlich treibe. Ich meine, ich führe ein geheimes Leben seit ich denken kann!
Das Gefühl, nicht in Ordnung zu sein, begleitet mich entsprechend lange...
Er hat mir zugestanden, dass ich ein menschliches Wesen bin mit allen Rechten, die dazu gehören. Wann immer ich nervös werde, halte ich mir also vor Augen, dass ich OKAY bin. Ich mache mich darauf aufmerksam, dass nichts von dem, was passiert, eine Katastrophe ist.
Wenn mir ein Fehler unterläuft, dann sterbe ich nicht daran.
Mein stetes Bemühen, Fehler zu vermeiden und möglichst angepasst zu sein, hat wohl erst das Gefühl verursacht, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich mache mir wegen Sachen eine Platte, die absolut unwichtig sind. Niemand wird auf die Idee kommen, mich auf den Scheiterhaufen zu bringen und öffentlich zu verbrennen. Es ist nur leider nicht ganz einfach, alte Verhaltensweisen abzulegen.
So gesehen ist die ganze Geschichte auch ein Abenteuer. »Wer kann sagen, ich erlerne mich?«
Dass ich seltsam bin, ist doch okay. Ich habe nicht einmal ein dunkles Geheimnis..! Ich esse kein Menschenfleisch, habe nicht mal einen ausgefallenen Fetisch, zünde nachts keine Häuser an und habe noch nie einen Menschen umgebracht.
Was immer mein Therapeut nach der Lektüre meines Lebenslaufes von mir hält - er wird mich nicht zum Teufel jagen. So lange er sich beim Lesen nicht langweilt, ist alles okay. Schreiben sollte ich gelernt haben, und es gibt nun mal nichts Schlimmeres, als den Leser anzuöden, oder?
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