Je älter ich werde, desto entsetzter stelle ich fest, daß ich gar keine Lebensidee habe. Man wird mich - früher oder später - vergessen. Dagegen wird sich nichts tun lassen. Die restliche Zeit, die mir noch bleibt, muß ich wohl mit Fragen verbringen. Was soll das? Was bringt das? Wer braucht das? Oder mit schreiben. Weil die Nachwelt vielleicht dann meiner gedächte. Optimistisch gedacht. Doch was geht's mich an? Ich habe keine Idee, was ich hier soll. Habe ich irgend einen Sinn? Klar, sonst wäre ich nicht hier (würde ich antworten, wenn ich religiös wäre). Besteht der darin, etwas genau das zu tun, was die Situation gerade von mir verlangt? Doch wo wäre da die Idee? Idee hieße, eine Strategie, einen Plan zu haben, besser: Eine Vision! Hatte ich früher, als Kind. Wollte ein unkaputtbares Auto entwickeln, wenn ich groß bin. Und so nach und nach natürlich die Weltherrschaft an mich reißen. Eine zentrale Währung einführen und alles durchstrukturieren, bis hin zur Müllabfuhr. Das ist dann nichts geworden, warum eigentlich? Die Ursachen sind gar nicht so leicht zu finden. Sicher. Die Schule und der ganze Kram. Hat mich alles davon abgehalten. Nun mache ich das, was die anderen auch alle machen. In irgendwelchen vorgefertigten Gleisen fahren, irgendwelche Bahnen zu Ende gehen, vorgeprägte Karriere - nein, stop! Stimmt ja gar nicht. Da ist ja durchaus so ein Funke von Einzigartigkeit. Da sind ja Dinge, die ich anders mache als alle anderen. Idiosynkratische Lebensmuster, Lebenslinien, Gedankenlinien wie Fingerabdrücke. Voller selbst, voller Höhe. Zuweilen genieße ich den Ausblick. Doch da zu stehen und den Wind zu spüren verlangt Opfer. So völlig selbst zu sein heißt, allein zu sein. Sich mit nichts zu identifizieren heißt, sich abseits zu stellen. Erhöht und verloren. Aber zurück geht nicht. Gemeinschaftsgefühl nur bis zum Revers. Anzug, Hemd, Krawatte, jeden Tag aufs Neue. Vom Meeting in den Blaster, vom Blaster ins Bett, vom Bett ins Auto, vom Auto ins Meeting. Kaffee, Mittagessen, Kaffee, Abendbrot, Kaffee. Und manchmal einen Plausch mit Hierundda.
Herausheben! Was macht die Perle zur Perle? Das Kleine Erleben. Das leise Kitzeln der Sonne spüren. Das Klingen und Singen des eigenen Friedens hören - vielleicht fällt sie mir in den Schoß, die Lebensidee.
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