Das Gespräch im Coupé lenkte sich selbstverständlich auf den Nothstand in den Bezirken, denen uns das Dampfroß entgegenführte. Die noch vor wenigen Tagen von sehr Vielen vertheidigte Meinung, daß die Nothstandsnachrichten, wenn nicht völlig aus der Luft gegriffen, so doch wenigstens bedeutend übertrieben seien – diese Meinung war vollständig verschwunden, seitdem die Nachricht von dem Ausbruch des Hungertyphus in verschiedenen Ortschaften Oberschlesiens den traurigen Beweis für das wirkliche Vorhandensein von Hunger und Noth gebracht hatte. Alle möglichen und unmöglichen Vorschläge, in welcher Weise die Staatsregierung unverzüglich helfend eingreifen, wie sie nicht nur Geld und Lebensmittel, sondern auch Montirungsstücke aus den Militärdepots hergeben müsse, um dem Mangel an Kleidungsstücken abzuhelfen – wie eine allgemeine Nothstandssteuer für die ganze Monarchie ausgeschrieben und zur Behebung des Nothstandes in Oberschlesien verwendet – wie sofort zwangsweise ein Abzug von Menschen aus den übervölkerten Gegenden Oberschlesiens nach den minder bevölkerten des Staates angeordnet werden müsse – diese und ähnliche Vorschläge, wie sie auch in einzelnen Zeitungen erhoben werden, schwirrten in buntem Gewirre durch das Coupé und lieferten den Beweis, daß an Stelle des früheren Unglaubens ein rathloser Schrecken die Gemüther ergriffen habe. Die Sorge um das eigene Leben mochte wohl bei Manchen der Grund zu der plötzlich überströmenden Theilnahme für Oberschlesien sein, der Hungertyphus ist bekanntlich nicht leicht zu nehmen, er greift aus dem Bereiche der Hungernden, namentlich bei Eintritt wärmerer Witterung, gern auch in die Kreise der Satten hinüber. Vorläufig wehte freilich der Wind noch so eisig kalt, als ob wir in unmittelbarer Nähe des Nordpols uns befänden – 26° R. gehen auch für uns Norddeutsche etwas über die Hutschnur.
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